Schlagwort-Archive: Diskussion

Über die Unruhen in Charlotte

In Charlotte hat die Ermordung eines Afroamerikaners (Keith Scott) am 20. September Krawalle ausgelöst, doch es kommt noch schlimmer: Während den Krawallen wurde ein weiterer Afroamerikaner (Justin Carr), mit einem Schuss in den Kopf, ermordet. Beide Morde haben eine Spirale aus Repression, spontanen Organisationsformen und Revolten hervorgebracht.
Letztere sind besonders interessant, weil sie nicht nur Bankenviertel, Privateigentum, Symbole des Kapitalismus und die Polizei konsequent angreifen, sondern nach Möglichkeiten suchen um die Momente der Revolte zu intensivieren, d.h. es werden Möglichkeiten gesucht um die Dynamik der Revolte zu verbreiten und sie vor den Lügen und den rekuperativen Intentionen der Reformisten, Pazifisten, Priester, Journalisten, Linken, Sozialarbeiter und sonstigen Verächter der Revolte, zu schützen.


 
Die generalisierte Unzufriedenheit, die sich durch die Revolte von Ferguson wie ein Flächenbrand verbreitete, Über die Unruhen in Charlotte weiterlesen

Am 15. September 2016 – Auf nach Paris!

Rund 2 Monate sind seit der letzten offensiven Demonstration vergangen. Diese bildete den Höhepunkt einer sozialen Bewegung, die im März ihren Anfang nahm. Ausgelöst durch eine umstrittene Arbeitsrechtreform, löste sich die Bewegung schnell von reformistischen Tendenzen und ließ sich in ihrer Aktionsformen weder von politischen noch gewerkschaftlichen Autoritäten einschränken.

Während etwa 4 Monaten fanden sich wöchentlich Student_innen, Schüler_innen, Arbeiter_innen, Arbeitslose, Gewerkschaftler_innen, Anarchist_innen und Antiautoritäre Seite an Seite, geeint durch eine gemeinsame Wut auf- und Ablehnung gegenüber der staatlich organisierten Fremdbestimmung des sozialen Lebens. Am 15. September 2016 – Auf nach Paris! weiterlesen

Widerständische Kieze am Beispiel von Exarchia in Athen

Samstag 6. Dezember 2008, 21.10 Uhr Ort: Zentrum von Athen, Exarchia. Der Bulle Korkoneas schießt auf eine Gruppe von Kindern. Durch die Kugeln stirbt der 15jährige Schüler Alexandros Grigoropoulos. Die darauf folgenden mehrwöchigen Unruhen machen den Stadtteil weltweit bekannt. Doch die Geschichte von Exarchia ist schon immer durch den Widerstand gegen den Staat geprägt.

Der älteste überlieferte Zusammenstoß von Studenten mit der Polizei in diesem Viertel fand am 11. Mai 1859 statt und wurde unter dem Namen „Skiadika“ bekannt. Die Auseinandersetzungen spielten sich in den gleichen Straßen wie der Dezemberaufstand 2008 ab und führten zur ersten Besetzung eines universitären Gebäudes. Widerständische Kieze am Beispiel von Exarchia in Athen weiterlesen

London 2016: Das Terrain des Kampfes in unserer Stadt

Wenn wir etwas Leben und Anarchie auf die Straßen Londons tragen wollen, hilft es uns das Terrain zu verstehen, auf dem wir kämpfen. Dieser Artikel untersucht die Rolle Londons im globalen Kapitalismus; wie diese zu „sozialen Säuberungen“ und Kontrolle führt und ein paar Samen des Widerstands, die in den letzen Jahren aufkamen. Es ist eine gekürzte Version unseres Pamphlets „London 2016“, welches auf diese Punkte detaillierter eingeht. London 2016: Das Terrain des Kampfes in unserer Stadt weiterlesen

Antiautoritäre zur Demonstration „Investor*innenträume Platzen lassen“ am 9. Juli

Der folgende Text wurde von Linksunten übernommen:

Nach einer monatelangen Hetzkampagne, in der die Rigaer 94 wahlweise als linksextremistisch, rechtsextremistisch, terroristisch oder kriminell mit irrationalen Motiven dargestellt wurde, waren am 9. Juli ca. 4000 bis 5000 Menschen bereit für das Hausprojekt und gegen die Mietenpolitik des Senats und seinen Ausnahmezustand Gesicht zu zeigen. Das sich diese Generationen und Spektren übergreifende Demonstration nicht vom Angstklima, dass Henkels Papageien in der Berliner Medienlandschaft täglich verbreiten, beeindrucken ließ, deutet zumindest Ansätze einer Verankerung autonomer Politik in den Kämpfen um Wohnraum in dieser Stadt an. Antiautoritäre zur Demonstration „Investor*innenträume Platzen lassen“ am 9. Juli weiterlesen

Demokratisches Spektakel zum Arbeitsgesetz

Erst hatte die französische Regierung hartnäckig demententiert, dass sie auf den Verfassungsartikel 49-3 zurückzugreifen gedenke, der es ihr ermöglichen würde, das umstrittene Gesetz zur „Reform“ des Arbeitsmarktes ohne parlamentarische Mehrheit in Kraft zu setzen. Am 10. Mai aber war es dann doch soweit. Nach Beratung mit Hollande stimmte das Kabinett den Änderungen per Dekret zu, kommt es im Parlament nun nicht zu einem erfolgreichen Misstrauensvotum, treten die Änderungen endgültig in Kraft. Demokratisches Spektakel zum Arbeitsgesetz weiterlesen

17 Fragen an Johhny

Um die gegenwärtigen Proteste in Frankreich zu verstehen und dabei auch noch den einen oder anderen Hinweis zur Lösung eigener Probleme (Bewegungslosigkeit, keine Massenmilitanz, Unfähigkeit gegenüber Nazi Aufmärschen) zu erlangen, sind wir nicht auf die Massenmedien angewiesen (die den Konflikt kleinreden) weil es eine Quelle vor Ort gibt.
Deshalb also 17 Fragen an Johhny zur Entwicklung einer Revolte. Vielleicht könnte bereits einiges aus Nebensätzen und Verweisen auf französische Artikel herausgelesen werden, bleibt manches noch unklar.

Antworten sind selbstverständlich nur soweit erwünscht, wie sie keine vor den Behörden geheimhaltungsbedürftigen Infos weiter geben.

In Anbetracht der oft kaum einschätzbaren Mobilisierungsbereitschaft bestimmter Interessengruppen oder Spektren von Aktivist*innen, wie ist es den Leuten, die Anfang März zu den ersten Schüler*innen Demos und Besetzungen aufgerufen haben, gelungen den Zeitpunkt und die Bereitschaft richtig einzuschätzen?
Waren das Pläne, die schon länger vorbereitet wurden, sind diese Strukturen einfach richtig präsent an den Schulen und Unis oder war der Aufbruch total spontan? Gab es im Vorfeld Anzeichen für das Entstehen dieser Dynamiken oder sind alle davon völlig überrascht worden?

Aus welchen Quellen informieren sich die Leute hauptsächlich über Treffpunkte und Aktionen, eher über Twitter, Facebook oder Mund-zu-Mund Propaganda, oder Blogs?

Wer trifft die Entscheidungen zu Aktionstagen oder Beteiligung an Gewerkschaftsdemos und wie werden solche Entscheidungen getroffen?
In Anbetracht der bekannten Problematik schnelle Entscheidungen zu treffen, müssten ja einige Menschen ohne Pause in Plenas sitzen. Gibt es Delegierten Treffen verschiedener Gruppen oder geht alles von einem kleinen Kern aus?
Oder werden einfach Termine verkündet weil eine hohe Beteiligung sicher erscheint?
Jedenfalls scheint den Strukturen, die dort aktiv werden eine Legitimation zugesprochen zu werden, die in Deutschland nicht besetzt ist, wenn wir die Beteiligung an Schulstreiks oder Aktivitäten gegen Nazi Demonstrationen sehen.

Wodurch können sich spontan wilde Demos, auch in kleineren Städten, entwickeln? Durch eine weniger ausgeprägte Vereinzelung als in Deutschland?
Wodurch wird eine Rekuperation dieser Jugendbewegung durch Bewegungsmanager oder IL – ähnliche Gruppen verhindert?

Im Vergleich zur Revolte in den Banlieues 2005, warum bekommen die Bullen das jetzt nicht in den Griff?
Damals haben Leute mit einer gewissen Erfahrung in ihren eigenen Vierteln die Bullen angegriffen und konnten sich aber nach der Verhängung des Ausnahmezustands nicht mehr lange halten, warum wirken die Bullen jetzt so unbeholfen?

Haben die Auseinandersetzungen um ZAD oder Calais in den letzten Jahren die praktischen Fähigkeiten von radikalen Individuen oder Gruppen so voran gebracht, dass diese nun eine wichtige Funktionen bei den Zusammenstössen mit den Bullen einnehmen?
Oder spielen autonome/ anarchistische Strukturen dabei keine große Rolle weil alle Beteiligten sich sofort die nötigen Widerstandstechniken aneignen?

Wird ein Diskurs geführt (und wenn ja wie?) über die Akzeptanz von Gewalt, den Umgang mit Ordnern der Gewerkschaft?
Oder ist Gewalt gegen Bullen, Sachen oder Ordner so weit legitimiert, dass sie nicht besonders gerechtfertigt werden muss? Im Vergleich auch wieder zu „Aktionskonsensen“ in Deutschland.

Wenn wir die Symbolik bei den aktuellen Protesten betrachten, z.B. Sprühereien, Texte, Transpis… ist eine anarchistische Perspektive bei einigen Teilnehmer*innen vorhanden, im Gegensatz zur Revolte von 2005, aber welche Rolle spielt das?
Sind viele nur aus Frust dabei, um ihre eigene Situation zu verbessern und wie wird das in den Aufstands orientierten Zirkeln reflektiert, (über die kurzen Bekenner*innen Schreiben hinaus)?

Und Antworten:

Die Sache ist die, dass ich diese Fragen nicht beantworten kann, da meine Perspektive auch eine von aussen ist, ich nicht Teil dieser Bewegung bin, ich mir auch nicht anmaßen möchte, für diese Bewegung zu sprechen. Ich übrigen finde ich die Art der Fragen auch eher „technischer“ Natur.

Die Erfahrung zeigt doch immer wieder, dass Bewegungen nicht voraussehbar, geschweige denn planbar wären. Was auf jeden Fall zu beobachten ist, ist, dass viele der Akteure sehr jung sind, nicht umsonst hat sich der „antagonistische Block“ im Laufe der letzten Monaten zumindestens in Paris aus den Schülerdemos heraus entwickelt. Und ich persönlich finde das auch gut so, weil jede neue Generation von Revoltierenden auch ein Stück weit mit dem „Erbe“ der politischen Generation vor ihr brechen muss, „ihr eigenes Ding“ machen muss, um nicht zu einem ideologischen Wurmfortsatz zu werden.

Dass bestimmte Taktiken und Mittel übernommen werden ist ja nicht ungewöhnlich, kürzlich hatte sich ja sogar in Ägypten ein „black bloc“ gebildet und sich dann nach kurzer Zeit selbst wieder abgeschafft. Und dass wunderschöne an solchen Zeiten wie jetzt in Frankreich ist ja auch die Vielfältigkeit, dass Bunte, nicht Einheitliche. Und die Klammer ist (jedenfalls aus meiner Sicht) eben nicht eine hermeneutische Weltsicht oder die Zugehörigkeit zu irgendeiner Szene oder einem Milieu, sondern der Wille konkret zusammen zu kommen. Und da ist es dann kein Problem, mal eben einige hundert oder auch weniger Leute zu finden und mit denen mal loszuziehen.

Und eben auch die Begeisterung, das Feuer, die Bereitschaft auch Risiko, aufs Ganze zu gehen. Ich finde es nämlich bezeichnend, dass in der BRD ständig über „die Repression“ lamentiert wird und sich Leute sogar darüber aufregen, dass Turnschuhe nicht verpixelt werden, real aber in den letzten Jahren kaum ein/e „weiße/r“ Linke/r letztendlich im Knast gelandet ist. Das ist nämlich für mich auch einer der grossen Unterschiede: In der BRD wollen alle beim Event dabei sein, aber eben als Erlebnispublikum und wenn es dann ernst wird, sind es immer nur wenige der aberhunderten black- bloc-Gestylten, die wirklich was machen, riskieren. In Frankreich ziehen die Schüler mal einfach los, wenn es gut läuft, kassiert ein Bullenrevier Steine, wenn es schlecht läuft, bekommen sie selber auf die Fresse.

Und jenseits dieser ganzen „inneren Logik“ handelt es sich natürlich auch um eine soziale Bewegung, die weit über das antagonistische Spektrum hinaus reicht. In der BRD soll es ja so etwas ja auch mal gegeben haben mit Hausbesetzer- und Anti-AKW- Bewegung, hört mensch so…. Und die Sache mit den Plenas….Kann mich erinnern, dass das Unsichtbare Komitee sich damit auch beschäftigt hat und konsterniert hat, dass in aufständischen Zeiten Plenas eher daran hindern zur Sache zu kommen… Sollte mensch mal darüber nachdenken, die berühmtem Barriikadentage der Hafenstrasse sollen ja auch just in dem Moment angefangen haben, als im Zelt gerade das Plena tagte. Nur so….

1. Mai in Paris

Irgendwann fangen die Dinge an, sich zu verselbstständigen. Dann ist es nicht mehr eine Frage der politischen Perspektive, des Kräfteverhältnisses, der theoretischen Analyse. Dann geht es nur noch um ganz praktische Fragen, nur noch darum, sich in der Zuspitzung behaupten zu können. Mensch mag dies bedauerlich finden oder gar verurteilen, es spielt keine Rolle mehr, die Situation schafft sich ihre eigenen Gesetze. Viele Bewegungen haben diese Momente erlebt, einige sind daran gewachsen, andere daran gescheitert.

Es waren einige zehntausend am 1. Mai in Paris, die an der Demonstration zum ersten Mai teilgenommen haben. Gewerkschaftler, K-Grüppler, Syndikalisten, Anarchist*innen, aber auch viele, die sonst nicht am 1. Mai auf die Strasse gehen. 1. Mai in Paris weiterlesen