Archiv der Kategorie: Frankreich

Nantes: Widerstand gegen die FN

Gegen die Faschist*innen, gegen das Kapital! 25.02.2017

Nach einer Woche voller Diskussionen, die in der ganzen Stadt so verschiedene Themen behandelten, wie den kurdischen Widerstand, Polizeipraktiken oder Mai 68 in Nantes, strömten Tausende in Nantes gegen das Treffen der FN zusammen. 2200, darunter 800 Ultras, wird die Polizei erzählen, 3000 für die Organsierenden zu Beginn der Demo und, einem Gewerksschafter gemäß, am Ende fast das Doppelte. Insgesamt wahrscheinlich Fünftausend bis Sechstausend. Die Zahlen spielen keine wirkliche Rolle. Trotz wiederholter Drohung durch die Präfektur, Stadtpolizei und den Angst erzugenden Artikeln in der Presse, sind die Straßen gefüllt und der Umzug ist solidarisch.

Ein voller Erfolg zunächst, versuchten noch vor dem Losgehen, am Startpunkt der Demonstration, dutzende Bullen, einen großen Karnevalswagen zu stehlen, der einen Kandidaten mit fünf Köpfen darstellte – die der Kanidat*innen der Präsidentschaftswahlen – in einem treibenden Schiff. Nantes: Widerstand gegen die FN weiterlesen

Zusammenstösse nach erneuter rassistischer Bullengewalt in Pariser Vorort

Am Donnerstagsabend, 2. Februar, haben die Bullen in dem Pariser Vorort Aulnay-sous-Bois willkürlich zwei junge Männer angehalten und kontrolliert. Für die Bewohner der Vororte eine tagtägliche Praxis der rassistischen Erniedrigung, die sie seit Jahrzehnten kennen und die immer wieder in Gewaltexzessen der Bullen endet. Woraufhin es dann für einige Nächte brennt in der Banlieue.

Am Donnerstagabend traf es Théo. Vier Bullen warfen ihn zu Boden und prügelten auf ihn ein, beschipften ihn rassistisch. Dann zogen sie ihm seine Hose herunter und einer der Bullen vergewaltigte ihn mit seinem Schlagstock. Zusammenstösse nach erneuter rassistischer Bullengewalt in Pariser Vorort weiterlesen

Erfolgreicher Angriff auf staatliche Killer in Viry-Châtillon

Viry-Châtillon ist eine Kleinstadt, 30 Kilometer südlich von Paris. In den vergangenen Jahren haben hier die Spannungen zwischen meist jugendlichen Anwohner*innen und der Polizei zugenommen. Besonders im Viertel « la Grande Borne » kam es mehrfach zu Auseinandersetzungen. Am 8. Oktober wurden hier zwei Streifenwagen mit Steinen und Molotov Cocktails angegriffen.

Die Bullen hatten vor einem dortigen Supermarkt Stellung bezogen, wie immer auf der Suche nach Opfern. Doch an diesem Tag kamen zur Mittagszeit ungefähr 15 Vermummte und zündeten die Fahrzeuge an. Dabei wurden alle vier Bullen verletzt, zwei davon schwer.

Jetzt ist die Aufregung groß in Frankreich und die üblichen Forderungen nach einem härteren Staat werden laut. Aber geht es überhaupt noch härter? Regelmäßig sterben dort Menschen in den Händen der Polizei, werden erschossen, erschlagen oder überfahren. Kein Krawall bei einer Demonstration endet, ohne das jemand ein Auge verliert oder andere schwere Verletzungen durch Flash Balls oder andere Granaten erleidet.
Niemand ist gezwungen Schwein zu werden – niemand muss für immer Beute staatlicher Gewalt bleiben.

Am 15. September 2016 – Auf nach Paris!

Rund 2 Monate sind seit der letzten offensiven Demonstration vergangen. Diese bildete den Höhepunkt einer sozialen Bewegung, die im März ihren Anfang nahm. Ausgelöst durch eine umstrittene Arbeitsrechtreform, löste sich die Bewegung schnell von reformistischen Tendenzen und ließ sich in ihrer Aktionsformen weder von politischen noch gewerkschaftlichen Autoritäten einschränken.

Während etwa 4 Monaten fanden sich wöchentlich Student_innen, Schüler_innen, Arbeiter_innen, Arbeitslose, Gewerkschaftler_innen, Anarchist_innen und Antiautoritäre Seite an Seite, geeint durch eine gemeinsame Wut auf- und Ablehnung gegenüber der staatlich organisierten Fremdbestimmung des sozialen Lebens. Am 15. September 2016 – Auf nach Paris! weiterlesen

Paris im Mai

Überall am Ausgangspunkt der Demo in Paris am Dienstag, 17. Mai, Bullen. CRS, Gendarmerie National, … Kontrolle absolut. Aber der Ordnungsdienst (service d’ordre, SO) der Gewerkschaften fährt mit Transportern voller Knüppel, Baseballschläger, Reizgasgeräten und Helmen vor….

Es dauert eine Weile bis der Block sich gefunden hat, denn es ist schwierig, sich unter diesen Bedingungen zu organisieren und ganz vorne, an der Spitze der Demo laufen nicht nur die Bullen, sondern auch die behelmten und bewaffneten Schläger der CGT und FO. Paris im Mai weiterlesen

Demokratisches Spektakel zum Arbeitsgesetz

Erst hatte die französische Regierung hartnäckig demententiert, dass sie auf den Verfassungsartikel 49-3 zurückzugreifen gedenke, der es ihr ermöglichen würde, das umstrittene Gesetz zur „Reform“ des Arbeitsmarktes ohne parlamentarische Mehrheit in Kraft zu setzen. Am 10. Mai aber war es dann doch soweit. Nach Beratung mit Hollande stimmte das Kabinett den Änderungen per Dekret zu, kommt es im Parlament nun nicht zu einem erfolgreichen Misstrauensvotum, treten die Änderungen endgültig in Kraft. Demokratisches Spektakel zum Arbeitsgesetz weiterlesen

17 Fragen an Johhny

Um die gegenwärtigen Proteste in Frankreich zu verstehen und dabei auch noch den einen oder anderen Hinweis zur Lösung eigener Probleme (Bewegungslosigkeit, keine Massenmilitanz, Unfähigkeit gegenüber Nazi Aufmärschen) zu erlangen, sind wir nicht auf die Massenmedien angewiesen (die den Konflikt kleinreden) weil es eine Quelle vor Ort gibt.
Deshalb also 17 Fragen an Johhny zur Entwicklung einer Revolte. Vielleicht könnte bereits einiges aus Nebensätzen und Verweisen auf französische Artikel herausgelesen werden, bleibt manches noch unklar.

Antworten sind selbstverständlich nur soweit erwünscht, wie sie keine vor den Behörden geheimhaltungsbedürftigen Infos weiter geben.

In Anbetracht der oft kaum einschätzbaren Mobilisierungsbereitschaft bestimmter Interessengruppen oder Spektren von Aktivist*innen, wie ist es den Leuten, die Anfang März zu den ersten Schüler*innen Demos und Besetzungen aufgerufen haben, gelungen den Zeitpunkt und die Bereitschaft richtig einzuschätzen?
Waren das Pläne, die schon länger vorbereitet wurden, sind diese Strukturen einfach richtig präsent an den Schulen und Unis oder war der Aufbruch total spontan? Gab es im Vorfeld Anzeichen für das Entstehen dieser Dynamiken oder sind alle davon völlig überrascht worden?

Aus welchen Quellen informieren sich die Leute hauptsächlich über Treffpunkte und Aktionen, eher über Twitter, Facebook oder Mund-zu-Mund Propaganda, oder Blogs?

Wer trifft die Entscheidungen zu Aktionstagen oder Beteiligung an Gewerkschaftsdemos und wie werden solche Entscheidungen getroffen?
In Anbetracht der bekannten Problematik schnelle Entscheidungen zu treffen, müssten ja einige Menschen ohne Pause in Plenas sitzen. Gibt es Delegierten Treffen verschiedener Gruppen oder geht alles von einem kleinen Kern aus?
Oder werden einfach Termine verkündet weil eine hohe Beteiligung sicher erscheint?
Jedenfalls scheint den Strukturen, die dort aktiv werden eine Legitimation zugesprochen zu werden, die in Deutschland nicht besetzt ist, wenn wir die Beteiligung an Schulstreiks oder Aktivitäten gegen Nazi Demonstrationen sehen.

Wodurch können sich spontan wilde Demos, auch in kleineren Städten, entwickeln? Durch eine weniger ausgeprägte Vereinzelung als in Deutschland?
Wodurch wird eine Rekuperation dieser Jugendbewegung durch Bewegungsmanager oder IL – ähnliche Gruppen verhindert?

Im Vergleich zur Revolte in den Banlieues 2005, warum bekommen die Bullen das jetzt nicht in den Griff?
Damals haben Leute mit einer gewissen Erfahrung in ihren eigenen Vierteln die Bullen angegriffen und konnten sich aber nach der Verhängung des Ausnahmezustands nicht mehr lange halten, warum wirken die Bullen jetzt so unbeholfen?

Haben die Auseinandersetzungen um ZAD oder Calais in den letzten Jahren die praktischen Fähigkeiten von radikalen Individuen oder Gruppen so voran gebracht, dass diese nun eine wichtige Funktionen bei den Zusammenstössen mit den Bullen einnehmen?
Oder spielen autonome/ anarchistische Strukturen dabei keine große Rolle weil alle Beteiligten sich sofort die nötigen Widerstandstechniken aneignen?

Wird ein Diskurs geführt (und wenn ja wie?) über die Akzeptanz von Gewalt, den Umgang mit Ordnern der Gewerkschaft?
Oder ist Gewalt gegen Bullen, Sachen oder Ordner so weit legitimiert, dass sie nicht besonders gerechtfertigt werden muss? Im Vergleich auch wieder zu „Aktionskonsensen“ in Deutschland.

Wenn wir die Symbolik bei den aktuellen Protesten betrachten, z.B. Sprühereien, Texte, Transpis… ist eine anarchistische Perspektive bei einigen Teilnehmer*innen vorhanden, im Gegensatz zur Revolte von 2005, aber welche Rolle spielt das?
Sind viele nur aus Frust dabei, um ihre eigene Situation zu verbessern und wie wird das in den Aufstands orientierten Zirkeln reflektiert, (über die kurzen Bekenner*innen Schreiben hinaus)?

Und Antworten:

Die Sache ist die, dass ich diese Fragen nicht beantworten kann, da meine Perspektive auch eine von aussen ist, ich nicht Teil dieser Bewegung bin, ich mir auch nicht anmaßen möchte, für diese Bewegung zu sprechen. Ich übrigen finde ich die Art der Fragen auch eher „technischer“ Natur.

Die Erfahrung zeigt doch immer wieder, dass Bewegungen nicht voraussehbar, geschweige denn planbar wären. Was auf jeden Fall zu beobachten ist, ist, dass viele der Akteure sehr jung sind, nicht umsonst hat sich der „antagonistische Block“ im Laufe der letzten Monaten zumindestens in Paris aus den Schülerdemos heraus entwickelt. Und ich persönlich finde das auch gut so, weil jede neue Generation von Revoltierenden auch ein Stück weit mit dem „Erbe“ der politischen Generation vor ihr brechen muss, „ihr eigenes Ding“ machen muss, um nicht zu einem ideologischen Wurmfortsatz zu werden.

Dass bestimmte Taktiken und Mittel übernommen werden ist ja nicht ungewöhnlich, kürzlich hatte sich ja sogar in Ägypten ein „black bloc“ gebildet und sich dann nach kurzer Zeit selbst wieder abgeschafft. Und dass wunderschöne an solchen Zeiten wie jetzt in Frankreich ist ja auch die Vielfältigkeit, dass Bunte, nicht Einheitliche. Und die Klammer ist (jedenfalls aus meiner Sicht) eben nicht eine hermeneutische Weltsicht oder die Zugehörigkeit zu irgendeiner Szene oder einem Milieu, sondern der Wille konkret zusammen zu kommen. Und da ist es dann kein Problem, mal eben einige hundert oder auch weniger Leute zu finden und mit denen mal loszuziehen.

Und eben auch die Begeisterung, das Feuer, die Bereitschaft auch Risiko, aufs Ganze zu gehen. Ich finde es nämlich bezeichnend, dass in der BRD ständig über „die Repression“ lamentiert wird und sich Leute sogar darüber aufregen, dass Turnschuhe nicht verpixelt werden, real aber in den letzten Jahren kaum ein/e „weiße/r“ Linke/r letztendlich im Knast gelandet ist. Das ist nämlich für mich auch einer der grossen Unterschiede: In der BRD wollen alle beim Event dabei sein, aber eben als Erlebnispublikum und wenn es dann ernst wird, sind es immer nur wenige der aberhunderten black- bloc-Gestylten, die wirklich was machen, riskieren. In Frankreich ziehen die Schüler mal einfach los, wenn es gut läuft, kassiert ein Bullenrevier Steine, wenn es schlecht läuft, bekommen sie selber auf die Fresse.

Und jenseits dieser ganzen „inneren Logik“ handelt es sich natürlich auch um eine soziale Bewegung, die weit über das antagonistische Spektrum hinaus reicht. In der BRD soll es ja so etwas ja auch mal gegeben haben mit Hausbesetzer- und Anti-AKW- Bewegung, hört mensch so…. Und die Sache mit den Plenas….Kann mich erinnern, dass das Unsichtbare Komitee sich damit auch beschäftigt hat und konsterniert hat, dass in aufständischen Zeiten Plenas eher daran hindern zur Sache zu kommen… Sollte mensch mal darüber nachdenken, die berühmtem Barriikadentage der Hafenstrasse sollen ja auch just in dem Moment angefangen haben, als im Zelt gerade das Plena tagte. Nur so….

1. Mai in Paris

Irgendwann fangen die Dinge an, sich zu verselbstständigen. Dann ist es nicht mehr eine Frage der politischen Perspektive, des Kräfteverhältnisses, der theoretischen Analyse. Dann geht es nur noch um ganz praktische Fragen, nur noch darum, sich in der Zuspitzung behaupten zu können. Mensch mag dies bedauerlich finden oder gar verurteilen, es spielt keine Rolle mehr, die Situation schafft sich ihre eigenen Gesetze. Viele Bewegungen haben diese Momente erlebt, einige sind daran gewachsen, andere daran gescheitert.

Es waren einige zehntausend am 1. Mai in Paris, die an der Demonstration zum ersten Mai teilgenommen haben. Gewerkschaftler, K-Grüppler, Syndikalisten, Anarchist*innen, aber auch viele, die sonst nicht am 1. Mai auf die Strasse gehen. 1. Mai in Paris weiterlesen

Paris im (Tränengas)Nebel

Der Aktionstag am 28. April zeigte wohl im wesentlichen zwei Tendenzen auf: Es gelingt der Bewegung gegen das neue Arbeitsrecht nicht, das soziale Terrain auszuweiten. Und die Zusammenstösse mit dem Sicherheitsapparat nehmen an Intensität zu. Entsprechend gab es zahlreiche verletzte Demonstranten, darunter einige schwer Verletzte (in Rennes verlor ein Mensch ein Auge), sowie landesweit über 200 Festnahmen. Aber auch bei den Bullen gab es etliche Verletzte, die Angaben von 74 Verletzten bei den Bereitschaftsbullen dürften keine Propaganda sein. Die Gewerkschaften sprechen von einer halben Million Menschen auf den Strassen, die Behörden von 170.000. Der französische Innenminister forderte dann heute auch prompt, die Gewerkschaften müssten sich deutlich von der „Gewaltmachern“ distanzieren. Der Umfang der Arbeitsniederlegungen hielt sich wie zu erwarten sehr in Grenzen.

In Paris waren es mehrere zehntausend Menschen, die Angaben der Veranstalter und der Bullen liegen wie immer weit auseinander, die an der nachmittaglichen Demo teilnahmen. Von einer Demo im eigentlichen Sinne konnte zumindestens zeitweise eigentlich keine Rede sein, sowohl während der Demo als auch am Platz der Abschlusskundgebung kam es zu heftigsten Zusammenstössen mit den Bullen, die über drei Stunden andauerten, dabei wurde die Demo gesplittet und so zogen zwei Demozüge zum Platz der Nation. Dem folgten dann in der Nacht noch Auseinandersetzungen am Platz der Republik (Nuit Debout), wo Menschen versuchten, den Platz auch über Nacht gegen die Bullen zu behaupten.

Erst nach langen Kämpfen und dem massiven Einsatz von Tränengas gelang es den Bullen, den Platz gegen 02:00 Uhr zu räumen. Paris im (Tränengas)Nebel weiterlesen

L’autonomie, ou rien – Dieser Tage in Frankreich

Noch mehr geklaute Frankreich Berichte, damit sie nicht so schnell im Müll der Online Archive verschwinden:

Es sind schwierige Tage, diese Tage in Frankreich. Der Bewegung ist es nicht gelungen, sich über sich hinaus zu vermassen, sie bleibt in ihrem Konkon gefangen, sich ihrer Begrenzung bewusst, aber nicht in der Lage, diesen Zustand zu überwinden. Und nein, wir erleben keinen neuen Mai 68, diese Analogie greift ins Leere, schadet nur, weil dieser übermächtige Schatten, diese Projektion, nur Lähmung generiert.

Wir erleben auch keinen heissen Sommer wie 2006, als alle wichtigen Universitäten des Landes besetzt waren und die Bewegung an den Schulen nicht wie zur Zeit auf lokal aufflackernde Epizentren begrenzt war. Trotzdem ist es nicht zu gering zu schätzen, was sich seit Anfang März zugetragen hat. Die letzten Jahre lieferten schliesslich ganz andere Schlagzeilen und gesellschaftliche Entwicklungen. Der Terror der Islamisten mitten in Paris, die homophobe Bewegung 2015, die bis zu einer halben Million Menschen mobilisieren konnte, ein Front National, der in den Umfragen und Lokalwahlen immer weiter zulegen konnte und deren Vorsitzende sich anschickte, 2017 zur französischen Präsidenten gewählt zu werden. Nein, es ist wirklich nicht gering zu schätzen, was diese neue soziale Bewegung für die gesellschaftliche Entwicklung bedeutet, die sich nur noch in Richtung Alptraum zu entwickeln schien. Einen Alptraum, der ja nicht auf Frankreich begrenzt ist, sondern sich in den letzten Jahren wie ein Krebsgeschwür durch Europa frass. L’autonomie, ou rien – Dieser Tage in Frankreich weiterlesen