Paris im Mai

Überall am Ausgangspunkt der Demo in Paris am Dienstag, 17. Mai, Bullen. CRS, Gendarmerie National, … Kontrolle absolut. Aber der Ordnungsdienst (service d’ordre, SO) der Gewerkschaften fährt mit Transportern voller Knüppel, Baseballschläger, Reizgasgeräten und Helmen vor….

Es dauert eine Weile bis der Block sich gefunden hat, denn es ist schwierig, sich unter diesen Bedingungen zu organisieren und ganz vorne, an der Spitze der Demo laufen nicht nur die Bullen, sondern auch die behelmten und bewaffneten Schläger der CGT und FO.

Aber nach einer Weile werden aus ein paar Dutzend ein paar Hundert, dann über Tausend, die jetzt alle Anarchisten oder Autonome sein soll, wenn mensch der Presse glauben darf. Dieser black bloc, diese casseurs, diese Freunde von Julien Coupat, wie sie der Herr Premierminister zu nennen pflegt, sind in Wahrheit garnicht alle einer Meinung oder einer Ideologie verpflichtet, etliche kommen sogar ohne ganz gut ohne letzteres durchs Leben. Aber heute hat jeder und jede gute Gründe, hier zu sein. Auf der Demo sind etliche Tausend, die Bullen sprechen von 12.000, die Gewerkschaften von 50.000. Es sind auf jeden Fall ganz schön viele, wenn mensch in Betracht zieht, dass seit Wochen jede Demo gegen das loi travail von den Bullen sytematisch und grossflächig mit Tränengas eingenebelt wird. Wer also heute in Paris trotzdem auf der Strasse ist, weiß dass ihn kein Nachmittagsspaziergang erwartet.

Wieder ist jede Querstrasse an der Demonstrationsroute von den Bullen abgeriegelt, alles soll schön weiterhin unter Kontrolle bleiben. Tut es natürlich nicht, nach einiger Zeit gibt es die erste Attacke auf eine Bulleneinheit. Zuerst sind es nur Fabbeutel und Knaller, an der nächsten Kreuzung sind die Gegenstände, die durch die Luft fliegen, schon von einem anderen Kaliber. Die Bullen ballern selbstverständlich Tränengas in rauen Mengen in die Menge, mehrmals tun sich grosse Lücken im Demonstrationszug auf. Als eine Bulleneinheit zwei Molotows kassiert, zeigt sie sich deutlich beeindruckt und dutzende Fotografen und Kamerateams haben ein sensationelles Motiv, dass sie in die Welt versenden können. Als sich eine der Querstrassen von den Bullen unbewacht eröffnet, strömen Hunderte hinein, um ein bisschen Frischluft jenseits des von den Bullen festgelegten Terrains zu schnuppen. Werden gestoppt und drohen eingekesselt zu werden, als in ihren Rücken eine Bulleneinheit zur Kreuzung vordringt. Die Bullen kassieren aber so viel Material, dass sie schön an der Häuserwand kleben bleiben und alle wieder zurück zur Masse der Demonstranten gelangen können.

Die eigentliche geplante Abschlusskundgebung am Bahnhof Denfert muss entfallen, da die Bullen den Platz komplett mit Reizgas einnebeln. Mitten im Gas Schlägereien mit dem Ordnungsdienst der Gewerkschaften, die Jungs mit den Helmen, Knüppeln, Reizgasgeräten und den roten Armbändern sind von den verhassten Bullen der BAC nur dadurch zu unterscheiden, dass etliche der Schläger schon einen Bierbauch zur Schau stellen. Ein Teil der Demo gelangt auch garnicht erst auf den Platz, weil eine Hundertschaft der Gewerkschaftsschläger die Strasse zum Platz blockiert. Aber die Gewerkschaftsspitze hat heute einen entscheidenen Fehler begangen, als sie ihre Schläger losgelassen hat. Jede konnte die Intention dieses Auftretens beobachten, die offensichtliche Kooperation mit den Bullen, das aggressive Vorgehen gegen alles missbeliebige und sogar gegen Journalisten. Und so schlug dieser Avangarde der Arbeiterklasse all jener Hass entgegen, der sonst den Bullen vorbehalten ist, wenn sie sich in die Demo reinknüppeln. Und dieser Hass kam nicht nur von den Antagonist*innen, sondern ebenso von vielen Prolet*innen die seit Jahrzehnten mit ihren Mitgliedsbeiträgen Philippe Martinez und seine Apparatschik durchfüttern.

Einige hundert Bullen in Zivil versammelten sich am Mittwochmittag, 18. Mai in Paris auf dem Platz der Republik, um gegen den „Hass auf die Polizei“ zu demonstrieren. Eine Gegenkundgebung war von den Behörden verboten worden, was aber einige hundert Menschen nicht davon abhielt, sich trotzdem am Rande des Platzes zu versammeln, der über Nacht mit Parolen gegen die Bullen und in Erinnerung an die vielen Opfer von Polizeigewalt bemalt worden war. An der Kundgebung der Polizeigewerkschaften nahmen auch Marion Maréchal-Le Pen und Gilbert Collard, die für den Front National in der Nationalversammlung sitzen, teil. Neben der wichtigsten Bullengewerkschaft Alliance waren auch Vertreter der CGT- Police zusammen mit den Faschisten auf dem Platz präsent.
Im Laufe des Tages setzen sich zweimal manif sauvages vom Rande des Platzes aus in Bewegung, es gab (begrenzte) Konflikte mit den Bullen, ein zufällig vorbei kommenden Streifenwagen wurden attackiert, die beiden in dem Fahrzeug sitzenden Beamten ergriffen die Flucht aus dem Fahrzeug, nachdem der Wagen durch einen pyrotechnischen Gegenstand in Brand gesetzt wurde.

Ebenfalls auf der Strasse in Paris waren gestern die Beschäftigten der SNCF, die im Streik sind und gemeinsam mit solidarischen Student*innen zum Bahnhof Saint Lazare zogen und diesen mit Gleisblockaden lahm legten.