Bristol und Berlin – Ähnlichkeiten in der Aufstandsbekämpfung

Aufstandsbekämpfung ist nicht nur das Eingreifen der Polizei in Prozesse von sich radikalisierenden Bevölkerungsgruppen, sondern auch eine Vielzahl von Maßnahmen, die auf eine Manipulation der öffentlichen Meinung oder gesellschaftlichen Stimmung abzielen.

Auffällig sind uns dabei die Ähnlichkeiten in Berichten von TV Sendern in Bristol und Berlin geworden, die über Aktionen von „Anarchisten“ und „Linksextremisten“ berichten. Zum Vergleich, ein RBB Bericht vom 19.09.2014 und ein BBC Beitrag vom 22.09.2014.

oder von Channel 4

Ein Jahr zuvor hatte die Polizei in Bristol über die ihr ergebene Bristol Post ein Strategiepapier unter dem Titel Our Five Year Ambition lanciert, in welchem sie unter anderem das Ausspähen von Squats und anarchistischen Gruppen im Kampf gegen Randalierer ankündigt. Wegen einer Glasbruch Aktion gegen die Bristol Post wird seit Jahren ein Anarchist gesucht.

Wenn die Polizei also in Fünf-Jahres Plänen denkt, müssen wir die Entwicklung weiter zurück verfolgen, zum Beispiel in den April 2011, als sich noch Monate vor den massiven Riots wegen der Ermordung von Mark Duggan in London, in Bristol Straßenschlachten nach der Räumung des Squats Telepathic Heights entwickelten.

Das Strategiepapier der Polizei kommentierte Bristol ABC damals so: „Wenn eine andere Gruppe (als die Polizei) Gewalt anwendet um ihre Ziele zu erreichen, bekommt der Staat Angst, seinen Griff auf die Gesellschaft zu verlieren, wie es im August 2011 passierte, als hunderte Leute auf die Straße gingen um einige Nächte zu randalieren und zu plündern, ohne Angst vor Polizeigewalt. Der Staat ist beunruhigt, dass es einen neuen Ausbruch dieser Gewalt geben könnte, der als Bedrohung seiner Macht gesehen wird. Wenn Leute einmal realisieren, dass der Staat und die Polizei nicht die einzigen Kräfte sind, die fähig sind Gewalt zu nutzen, verliert der Staat jede Legitimation. Deshalb muss der Staat jeden Ausdruck gewalttätiger Tendenzen brechen, bevor diese sich festigen und die Massen infizieren können.“

2011 war auch ein Jahr, in dem es in Berlin Hoffnungen gab, dass sich Massenmilitanz entwickeln könne. Auch hier begann es mit der Räumung eines Squats, der Liebig 14.

Zusätzlich konnte sich im Juli 2011 eine unangemeldete Demo durchsetzen.

Sowohl in Bristol als auch in Berlin versucht die Polizei mit ausgesetzten Belohnungen, den Verursacher_innen politisch motivierter Sachbeschädigungen auf die Spur zu kommen.

Eine weiter Ähnlichkeit ist die Verflechtung von Medien mit dem Öffentlichkeitsreferat der Berliner Polizei, auffällig an Hand dieser Erklärung des Innensenators, die von der Presse verbreitet wurde:

„17. Dezember 2014 – Presseinformation zum Symposium:

Mehr als 100 Gäste aus Wissenschaft, Politik, Medien und Gesellschaft haben heute während des Symposiums „Linksextremismus – Herausforderung für unsere Demokratie“ im Berliner Technikmuseum über die unterschiedlichen Facetten dieses Phänomens diskutiert.

Innensenator Frank Henkel betonte zur Eröffnung der Ganztagesveranstaltung, dass sich bei der Bekämpfung des Extremismus alle Gesellschaftsbereiche angesprochen fühlen sollten: „Extremismus – unabhängig von seiner ideologischen Ausrichtung – geht uns alle. Er ist ständig da, bedroht unsere demokratischen Werte und will unser politisches System überwinden. Deshalb ist Extremismus nie hinnehmbar, seine Bekämpfung eine gemeinsame Aufgabe von Staat und Gesellschaft!“
Zudem wies er auf die stark angestiegene Zahl der linken Straf- und Gewalttaten hin. So ist die Zahl der Gewaltdelikte im Bereich der „Politisch motivierten Kriminalität-links“ (PMK-links) in der ersten Jahreshälfte 2014 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 68 Prozent von 143 auf 241 Fälle gestiegen. Senator Henkel: „Die Qualität der begangenen Taten zeigt, dass die Anhänger des aktionsorientierten linken Spektrums zu brutalen Übergriffen und Anschlägen bereit sind.“ Allein im Zeitraum Juli bis Oktober wurden 57 Gewaltdelikte im Bereich der „Politisch motivierten Kriminalität-links“ erfasst, die sich gegen Angehörige bzw. Einrichtungen oder Ausrüstungsgegenstände der Berliner Polizei richteten.“ Doch eines sei ganz klar: „Egal wie Linksextremisten ihre Straf- und Gewalttaten zu legitimieren versuchen, egal welche Begründungszusammenhänge sie vorgeben, in unserer Stadt ist kein Platz für Hass, Intoleranz und Gewalt!”

Der Leiter des Berliner Verfassungsschutzes Bernd Palenda wies darauf hin, dass die linksextremistische Szene sich derzeit in einer Umbruchphase befände. Auflösungen und Verschmelzungen von führenden linksextremistischen Organisationen führten zu einer kritischen Gemengelage: Die Szene verfolgt zwei gegensätzliche Ziele: einerseits verfolgt sie einen militanten Aktionismus in Kleingruppen, andererseits ist sie an einer breiten Anschlussfähigkeit orientiert. Bernd Palenda: „Zunehmend scheint sich ein Teil dieser linksextremistischen Szene zu radikalisieren. Diese Entwicklung beobachten die Sicherheitsbehörden mit großer Aufmerksamkeit.“
(…)
Die Erscheinungsform des Linksextremismus habe sich in den vergangenen Jahren geändert, betonte Hamburgs Polizeivizepräsident Reinhard Fallak. Bei Demonstrationen gehe die Szene immer professioneller vor. Die Hamburger Polizei stelle vermehrt eine Blockbildung von extremistischen Personen fest. Die Polizei der Hansestadt war in den vergangenen Jahren mehrfach Opfer schwerster Gewalt von links. Beispielhaft seien die Angriffe gegen die Beamten der Davidwache im Dezember 2013 gewesen. Aber auch im August diesen Jahres war es zu zum Teil lebensbedrohlichen Übergriffen auf die Polizei gekommen. Fallak: “Linksextremisten geht es um die Schaffung von rechtsfreien Räumen.” Die Polizei sei Symbol der abgelehnten Ordnung und somit legitimes Ziel von Gewalt. “Gewalt als Mittel zur Befreiung.”

Während der von Alexander Marguier vom Cicero moderierten Podiumsdiskussion zum Thema „Linksextremismus im Gewand bürgerlicher Interessenartikulation“ schilderte Jörn Hasselmann vom Berliner Tagesspiegel seine persönlichen Erfahrungen mit Bedrohungen durch Linksextremisten. Er habe selbst als Berichterstatter während einiger Demonstrationen einen deutlichen Hass auf die Polizei und auf Journalisten erlebt. Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung beklagte, dass politische Bildung auch zum Thema Linksextremismus an Schulen zu wenig stattfände. Teile des Themenkomplexes seien noch zu wenig erforscht. Es gebe auch zu wenig Projektträger, die in diesem Feld agierten.

Stefan Reinecke von der tageszeitung “taz” hob hervor, dass sich aus seiner Sicht die Öffentlichkeit nicht zu wenig mit dem Phänomen Linksextremismus beschäftige. Es sei angemessen, dass dem Rechtsextremismus mehr Aufmerksamkeit gewidmet werde.
Hans-Gerd Jaschke von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin betonte, dass es zu den Inhalten und Themen von Linksextremisten reichlich Forschungsliteratur gebe, zu dem Begriff des Linksextremismus jedoch nicht. Er plädierte dafür, offener an Autonome heranzutreten, um weitere Radikalisierung zu verhindern. Gerade Jugendliche, die noch nicht fest in der Szene verankert sind, seien durchaus ansprechbar.“

(Quelle:
https://www.berlin.de/sen/inneres/aktuelles/artikel.244881.php)

Aus dieser Veranstaltung lässt sich erkennen, welches Gewicht VS und LKA der öffentlichen Meinung zu autonomen oder anarchistischen/antiautoritären Aktionen, bzw. deren Verzerrung und Diskreditierung, geben.
Die Forschung deutscher Sicherheitsbehörden zielt dabei auf das Erkennen von Ansatzpunkten für repressive und den öffentlichen Diskurs beherrschende Maßnahmen:

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, der Fraktion DIE LINKE vom 7. Juli 2015″
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/055/1805518.pdf

Projekt zu Strategien der sogenannten gewaltbereiten linken Szene im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum

Vorbemerkung der Bundesregierung
Die AG „Analyse“ des Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum – Links (GETZ-L) setzt sich aus der Polizeilichen Informations- und Analysestelle (PIAS) und der Nachrichtendienstlichen Informations- und Analysestelle (NIAS) mit Vertretern aller Landeskriminalämter (LKÄ) sowie Landesverfassungsschutzbehörden, einschließlich des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), der Bundespolizei (BPol) und dem Bundeskriminalamt (BKA) zusammen. Mit dem o.g. Projektthema befassten sich die PIAS und NIAS aus rechtlichen und organisatorischen Gründen getrennt voneinander und mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen. Während die NIAS insbesondere die Analyse etwaiger theoretischer Strategiemodelle bzw. -papiere, d.h. der systematischen und langfristigen Planung von Veranstaltungen, die sich über mehrere Etappen erstrecken kann, als einen wichtigen Punkt aufgriff, richtete die PIAS ihr Hauptaugenmerk auf die taktische Aufstellung der linksextremistischen Szene bei Veranstaltungslagen, d.h. die Analyse des situativen Verhaltens. Federführend waren in der NIAS das BfV und in der PIAS das BKA, welches auch die Federführung in der Erstellung des Projektberichtes übernahm.

Die Projektarbeit in der PIAS sollte aktuelle und belastbare Aussagen über Strategien der gewaltbereiten linken bzw. linksextremistischen Szene beleuchten, die im Kontext von Großveranstaltungen propagiert wurden. Über die Darstellung der polizeilichen Lage gewaltsam verlaufener, politisch links motivierter
Demonstrationen im Berichtszeitraum der Jahre 2007 bis 2014 hinaus war es Ziel des Projekts festzustellen, ob möglicherweise gemeinsame Indikatoren für einen unfriedlichen Verlauf vorlagen und welche Taktiken bei der Anwendung von Gewalt bei Veranstaltungslagen zur Anwendung kamen. Das Ergebnis der Projektarbeit sollte als analytische Grundlage für zukünftige Großveranstaltungs- und Demonstrationslagen dienen.

1. Welche Strategien und Taktiken der linken Szene wurden in Zusammenhang mit dem Projekt analysiert?

Die PIAS bezog innerhalb der Projektbearbeitung in erster Linie demonstrative Ereignisse ein, bei denen eine signifikant hohe Anzahl politisch linksmotivierter Gewaltstraftaten festgestellt und dem BKA im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) gemeldet wurden. Hierbei galt es, die Anzahl der Gewaltstraftaten, die Deliktsverteilung, die regionale Verteilung, die thematischen Schwerpunkte zu belegen und einen statistischen Überblick über festgestellte Tatverdächtige zu erhalten. Im Zusammenhang mit gewaltsam verlaufenden demonstrativen Ereignissen sind vermehrt die Taktiken

– Schwarzer Block,
– Out of Control,
– Kleingruppen- bzw. Bezugsgruppentaktik,
– Fünf-Finger-Taktik
– Blockaden,
– örtliche „Scouts“ zur Aufklärung von polizeitaktischen Schwachstellen,
– Nutzung von Schutzbewaffnung und Wechselbekleidung aufgefallen.

Dabei nutzen insbesondere Gewalttäter, die in Kleingruppen agieren, die Masse der bürgerlichen Demonstrationsteilnehmer als Rückzugsraum.

2. Inwieweit wurden konkrete politische Projekte, Strategien, Überlegungen, Strategiemodelle, Aktionen, Demonstrationen usw. von Organisationen, Zusammenschlüssen oder einzelnen Akteuren der linken Szene für das Projekt untersucht?

Bei der Analyse der Protesttaktiken wurden im Zeitraum der Jahre 2010 bis 2014 insgesamt 30 demonstrative Ereignisse einer Betrachtung unterzogen, in deren Verlauf mindestens zehn linksmotivierte Gewaltstraftaten im Rahmen des KPMD-PMK gemeldet wurden. Dies waren Demonstrationen im Zusammenhang mit folgenden Großereignissen:
G8-Gipfel im Jahr 2007 in Heiligendamm, NATO-Gipfel im Jahr 2009 in Straßburg-Kehl, M31 und Blockupy-Aktionstage in den Jahren 2012 bis 2015, Kampagne „Flora bleibt unverträglich“ im Jahr 2013 in Hamburg, 1.-Mai-Demonstrationen im Jahr 2014 in Hamburg und Berlin sowie aktuelle Lageerkenntnisse zum G7-Gipfel im Jahr 2015 in Elmau.
Die Auswertung diente dem Ziel, gemeinsame Ablaufmuster zu erkennen.

3. Welche Methoden wurden für die Gewinnung der für das Projekt relevanten Informationen angewandt, und inwieweit gehörte auch Informationsbeschaffung mit nachrichtendienstlichen Mitteln dazu?

Neben den Informationen aus dem KPMD-PMK wurden zusätzliche Informationen über die Ländervertreter der LKÄ im GETZ bei den einsatzführenden Dienststellen mittels eines Fragebogens erhoben und entsprechende Literatur zum Thema „Linksextremistische Gewalt bei Demonstrationen“ herangezogen. Weiterhin wurden Polizeibeamte aus verschiedenen Bundesländern befragt, um Auskunft über erkennbare Taktiken der linken Szene bei Demonstrationen zu bekommen.

4. Welche Medien wurden in Hinsicht auf das Projekt ausgewertet?

Während der Projektbearbeitung nutzten die Vertreter der PIAS ausschließlich Informationen, die im Zusammenhang mit den zugrunde liegenden demonstrativen Ereignissen polizeilich erhoben wurden. In der Regel handelte es sich hierbei, neben den Meldungen über politisch motivierte Straftaten, um polizeiliche Lagebilder des BKA bzw. der Länderpolizeidienststellen. Darüber hinaus wurde Literatur zum Thema „Linksextremistische Gewalt“ der BKA-eigenen Bibliothek genutzt. In der NIAS wurden in Hinsicht auf das Projekt Print- und Online-Publikationen ausgewertet, wie z.B. Szenepublikationen und Internetseiten linksextremistischer Personenzusammenschlüsse. Nach sorgfältiger Abwägung des Aufklärungs- und Informationsrechts der Abgeordneten mit dem Wohl des Bundes (Staatswohl), das durch Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden könnte, sieht die Bundesregierung von der konkreten Bezeichnung der im Einzelnen ausgewerteten Medien ab, da dies künftige Einsatzmaßnahmen und somit die Aufgabenerfüllung gefährden könnte. Ein Bekanntwerden der in der konkreten Lage sowie üblicherweise von den Sicherheitsbehörden ausgewerteten Medien und Themen, darunter etwa auch bestimmter Foren im Internet, könnte künftig ein konspirativeres Verhalten der darin handelnden Akteure und damit eine Verschlechterung der Prognosefähigkeit der Sicherheitsbehörden zur Folge haben. Einzelheiten der Auswertung sind evident geheimhaltungsbedürftig, so dass sich auch eine als Verschlusssache eingestufte Antwort verbietet. Evident geheimhaltungsbedürftige Informationen muss die Bundesregierung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht offenlegen (vgl. BVerfGE 124, S. 161, 193 f.).“

Weitergehend hat sich auch der VS Sachsen damit beschäftigt:
http://www.verfassungsschutz.sachsen.de/download/Gewaltbereitschaft_der_autonomen_Szene_Leipzig%281%29.pdf

„Die Kernfrage besteht darin, unter welchen Bedingungen die Bereitschaft zur Gewalt in die Ausübung von Gewalt umschlägt. Das Ziel und das Anliegen des Beitrages sollen deshalb sein, welche Kriterien sich dafür ausmachen lassen und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, die diesen Umschlag ermöglichen. Wer übt Gewalt aus und gegen wen oder was ist sie gerichtet, wie stellt sich das Verhältnis von relativ spontaner und ungeplanter und relativ geplanter systematischer Gewaltanwendung dar und welche Gewaltintensität sich dabei zeigt, sollen zentrale Fragen des Beitrages sein. Der zeitliche Rahmen umfasst das Jahr 2013 sowie Januar bis Juni 2014.

Aktionen und Aktionsformen Daraus ergeben sich folgende Fragen:
• Welche weiteren Sachzusammenhänge lassen sich ausmachen, die eine Ausübung der Gewalt begünstigen?
• In welchem Rahmen werden Straftaten begangen?
• Inwiefern beeinflussen die Rahmenbedingungen Verlauf, Form und Intensität der Straf- und Gewalttaten und
• welche Strategien der handelnden Akteure zeigen sich in diesem Zusammenhang?
Die Leipziger Szene ist nicht nur numerisch die stärkste, sondern auch die aktivste. Vor allem ihre personelle Stärke dürfte eine grundlegende Voraussetzung für das hohe Niveau öffentlicher Aktionen sein.

Der erhebliche Anstieg um 177% von neun Aktionen im Jahr 2012 auf 25 zeigt die immense Dynamik, mit der sich die Leipziger Szene entwickelt hat. Die personelle Stärke allein ist allerdings noch kein ausreichendes Kriterium für eine starke öffentliche Präsenz. Dafür bedarf es Personen, die die Fähigkeit besitzen, eine entsprechende Aktion zu initiieren und die auch in der Lage sind, deren Form und Qualität zu prägen.

Das weist auf eine besondere Qualität hin, denn die Organisatoren müssen nicht nur fähig sein, eine Veranstaltung kurzfristig vorzubereiten, sondern auch genügend Autorität innerhalb ihrer Klientel besitzen, um diese auch zu mobilisieren. Wie ausgeprägt diese Fähigkeit ist, zeigt sich anhand der Menge der Teilnehmer unangemeldeter Demonstrationen.

Für die meisten unangemeldeten/ spontanen Aktionen konnte ein Teilnehmerkreis aktiviert werden, der zwischen 100-200 Personen umfasst. Das Teilnehmerpotenzial angemeldeter Aktionen ist zwar etwas höher, aber nicht signifikant. Sie weisen aber in ihren Merkmalen, Verlauf und Intensität von Straftaten einen anderen Charakter auf als unangemeldete Demonstrationen, so dass sich deutliche Unterschiede zwischen angemeldeten und unangemeldeten Aktionen zeigen. Von situativen Störungen, die aus der Distanz heraus erfolgen abgesehen, ist für angemeldete Demonstrationen in der Regel ein friedlicher Verlauf charakteristisch. Als Ursachen für einen weitgehend friedlichen Verlauf sind anzusehen:

• Bei dieser Aktionsform muss der Anmelder die zu erwartende Teilnehmerzahl angeben,so dass sich die Einsatzkräfte der Polizei darauf einstellen können. Ebenso lassen sich durch entsprechende Taktik die jeweiligen politischen Lager trennen.

• Große Demonstrationen werden in Bündnissen unter Beteiligung bürgerlicher Kräfte geplant und durchgeführt. Dadurch dürfte der Aktionsradius für Linksextremisten in Rahmen solcher Veranstaltungen eingegrenzt sein. Wie groß dieser Spielraum für Linksextremisten bei solchen Demonstrationen ist, hängt einerseits vom Kräfteverhältnis,aber auch von der Toleranz des bürgerlichen Spektrums ab.

Im Gegensatz dazu entwickeln unangemeldete Aktionen/ Demonstrationen generell eine hohe Eigendynamik, die häufig zu gewalttätigen Ausschreitungen führt. Insofern steht vor allem diese Aktionsform in einem deutlichen Zusammenhang mit Straf- und Gewalttaten. Exemplarisch dafür steht eine Aktion am 19. Juni 2014. Etwa 30 mit Masken und Helmen vermummte und schwarz gekleidete gewaltbereite Linksextremisten zogen durch den Leipziger Stadtteil Plagwitz/Lindenau. Auf einem mitgeführten Plakat forderten sie „Unsere Solidarität gegen eure Repression – Josef raus aus dem Knast“. Die Demonstranten rissen das Gehwegpflaster auf und warfen die Pflastersteine gegen Gebäude und Fahrzeuge. An einer Bushaltestelle und an einem vorbeifahrenden Linienbus schlugen sie die Scheiben ein. Außerdem stellten sie Mülltonnen auf die Straße, die sie entzündeten.

Die unangemeldeten Demonstrationen, insbesondere im Szeneviertel Connewitz sind dabei durch folgende Merkmale gekennzeichnet:
• Bei dieser Aktionsform ist die gewaltbereite Szene unter sich.
• Sie werden dort eher ihren eigenen Ansprüchen gerecht als im Rahmen großer Demonstrationen unter Beteiligung des bürgerlichen Spektrums. Insofern lassen sich diese Aktivitäten als „reine Aktionen“ der gewaltbereiten Szene klassifizieren.
• Die Aktionen zeigen, dass in deren Verlauf nicht unbedingt eine Situation entsteht, die zu einer Eskalation führt. Die Gewalt ist nicht situativ bedingt, sondern die Ausübung von Gewalt, die eine hohe Intensität aufweist und sich primär gegen Sachen und sekundär gegen Personen richtet, ist von vornherein Option und deren zentraler Bestandteil.

Da sich die gewalttätigen Angriffe gezielt gegen Personen richten, die an einem demokratischen Willensbildungsprozess beteiligt sind, und deren Ziel darin besteht, in ein politisches Amt gewählt zu werden, sind die Aktivitäten der Linksextremisten nicht nur als bloße „Gewalttaten“, sondern als deutliche politische Aktionen zu werten. Die Anwendung von Gewalt muss dabei nicht verwundern, denn diese entspricht dem Selbstverständnis der autonomen Szene. Gerade bei den Leipziger Aktionen zeigt sich eine konsequente Umsetzung dieser politischen Position. Das macht auch die Qualität der Leipziger Linksextremisten aus. Denn es wird deutlich, dass für sie Gewalt nicht nur ein zentraler Begriff ihres Politikverständnisses ist. Sie ist nicht nur für Gewalt bereit, sondern übt diese auch aus, um ihre politische Position deutlich zu machen und umzusetzen.

• Eine personell starke und aktionsorientierte autonome Szene, ein hohes Niveau öffentlicher Aktionen verbunden mit einem hohen Mobilisierungspotenzial sowie ein ausgeprägtes Szeneviertel lassen sich als wichtige Einflussgrößen für die Entwicklung linksextremer Straf- und Gewalttaten ausmachen.“

Fazit
Wer den Kampf auf der Straße führen will, idealerweise im Kollektiv mit vielen Anderen, muss in den Prozess der Meinungsbildung eingreifen. Trotz hoffnungsvoller Ansätze ist es weder in Bristol noch Berlin gelungen massenmilitante Phasen vorzubereiten, der Rückzug in die Kleingruppenmilitanz kommt dem Staat dabei gelegen.

Ein regelmäßiges Checken von behördlichen Analysen hilft dabei unberechenbar zu bleiben.