Über HH2112 und eine militante Zukunft auf der Straße

Der folgende Text wurde von Linksunten übernommen. Für die darin enthaltenen Vorschläge finden sich gelegentlich Beispiele aus der Praxis auf unseren aktualisierten Unterseiten.

Vorab
Im Folgenden wollen wir versuchen möglichst knapp, präzise und übersichtlich unsere Sichtweise darauf darzulegen, was die Ereignisse um HH2112 politisch wiederspiegeln, und was welche Schlüsse wir daraus für die Zukunft ziehen. Nachdem einerseits ein beträchtlicher Teil der radikalen Linken der BRD vor Ort war, wollen wir dabei über ein paar wenige konkrete Situationen diskutieren. Vor allem aber wollen wir diese größte Mobilisierung des vergangen Jahres als Bezugspunkt für eine allgemeine Debatte über Zukunft militanter Praxis auf der Straße nutzen, auch um niemanden auszuschließen, der nicht selbst dort war. Nachdem uns ferner klar ist, dass nicht jedeR Zeit hat, so lange Texte zu lesen, haben wir uns bemüht Kapitel zu schreiben, die mensch auch einzeln lesen kann.

Übersicht

– Vorab

– Allgemeine Annahmen

– Strategie

– Taktik

-> Fernkampf und Diverses

-> Nahkampf

– HH2112 konkret

– Zuletzt

Allgemeine Annahmen
Wir gehen von einem objektiv antagonistischen Verhältnis zwischen den Unterdrückten und Ausgebeuteten dieser Welt einerseits, und den ProfiteurINNen dieser Umstände andererseits aus, das auf zahllosen Ebenen verschleiert wird. In der Folge finden die meisten physischen Gewalthandlungen innerhalb der objektiv ausgebeuteten Klasse statt. Die meisten, die das lesen, dürften das für eine banale Einsicht halten. Umso kritikwürdiger finden wir es, dass dieses Denken in kaum einem Diskurs zu konkreten politischen Themen oder Ereignissen konsequent vertreten wird.

Am frappierendsten schlägt sich das in der Diskussion um unser hier zentrales Thema nieder: Gewalt. So sehr sich die radikale Linke im Vorfeld großer Mobilisierungen in militanter Pose gefällt, so sehr heult sie dennoch im Nachhinein über sogenannte ,,Polizeigewalt‘‘. Was dieser Begriff in einer ernstzunehmenden Linken zu suchen hat, ist uns schleierhaft. Im Munde von Verschleierungsorganen ist uns das hingegen sehr klar: Wenn überhaupt von kapitalistischem Staat und Gewalt in einem Satz die Rede ist, dann nur insofern, als dass einzelne schwarze Schafe in Uniform fehlgetreten sein. – Alexis‘ Tod, Abu Ghraib, Kundus, Oury Jalloh, Spiegel TV-Berichte über Polizeigewalt in Bayern etc. etc. …

Dabei findet sich selbst in jedem Lehrbuch, dass der Staat erst über den Anspruch auf das Gewaltmonopol final definiert ist. Das scheinbare Paradox ist, dass er selbst ohne Gewalt nicht existieren kann, andererseits seinen Sturz aber nur auf gewaltsamem Wege fürchtet.

In diesem Spannungsfeld findet der allgemeine Diskurs um Gewalt statt; seine Ideologie begrenzt ihn nach rechts wie nach links, und macht ihn zum am stärksten hysterisierten und irrationalsten Thema.

Kostproben sind etwa, dass die radikale Linke seit Jahren weiß, dass Oury Jalloh im Keller der Dessauer Polizei auf brutalste Art und Weise ermordet wurde. Rammt ein Bulle aber einem Vertreter der Mordfeststellung auf der Straße seinen Schlagstock in den Magen, sind alle aufs Neue schockiert.

In einem antagonistischen Setting, ist es aber der beste Indikator für deren drastische Unterlegenheit und gegenwärtige Niederlage, wenn eine der beiden Seiten lauthals die Methoden der anderen beklagt.

Den exakt gleichen Widerspruch findet man ein jedes Mal, wenn Ideologiekritik an der ,,bürgerlichen Presse‘‘ geübt werden soll, da sie ja nicht die Wahrheit berichte. Wie kann ein selbsternannter kritischer Mensch in einem Satz implizieren, dass es die einzige Funktion dieser Presse ist, das bürgerliche Interesse zu vertreten, um unmittelbar danach zu jammern, dass sie genau die Funktion erfüllt?!

Die Antwort ist wohl simpel: Auch die radikale Linke ist weit davon entfernt, die staatlich-kapitalistische Indoktrination als solche identifiziert und in den eigenen Köpfen zerstört zu haben. Trotzdem ist es derselbe Staat, der zusammen mit dem US-Staat und anderen, in Afghanistan etc. Krieg führt und dort Gewalt als unverzichtbar propagiert, der aber angeblich so betroffen ist, wenn seiner Exekutive z.B. in HH mit Gewalt begegnet wird. Um die gleichen Interessen geht es dennoch an beiden Orten…

Trifft eineR von uns einen Nazi, will er/sie ihn nicht selten sofort schlagen. Beim Wiedersehn mit einer unpolitischen Person, die einen/eine von uns in der Vorwoche verprügelt hat, wollen wir uns selbstverständlich revanchieren. Treffen wir aber nach einem Dutzend Festnahmen, Knochenbrüchen, PKs, Pfefferduschen etc. auf einer Demo auf die Cops, heisst es jedes Mal aufs Neue: ,,Nicht angreifen! Nur wehren!‘‘

Die Verfechter dieser Haltung sind dann schnell bei der Hand: Die Bürger und die Presse diskreditieren uns sonst nur. – Wie albern das ist, hat sich zuletzt einmal mehr in Hamburg gezeigt: Von Springer bis Tageschau lassen sich, trotz gegenteiligem Videobeweis, alle brav von Polizeifratze Mirko Schreiber die Welt erklären. Angebliche, vereinzelte Flaschenwürfe und eine ,,aggressive Stimmung‘‘ gelten als einleuchtende Begründung, um 10.000 Menschen ihr ,,Grundrecht auf Versammlungsfreiheit‘‘ zu verwehren.

Und wir sagen: Verdammt nochmal, das ist okay und richtig so! Nachdem die offene Diktatur in Europa weitgehend gescheitert war, hat sich der kapitalistische Staat transformiert. Die Zurücknahme physischer Gewalt wurde durch ein Mehr an ,,demokratischer‘‘ Ideologie kompensiert und es ging weiter wie gehabt.

Das Erzwingen dieses Wandels als Erfolg zu betrachten ist richtig, es macht unseren Alltag angenehmer und verweist auf stärkere Zeiten emanzipativer Bewegungen. Hierin einen gewonnen Krieg zu sehen, wäre hingegen lächerlich: Herrschaft und Ausbeutung erfreuen sich so guter Gesundheit wie selten. – Man denke bei dieser erzwungen Verwandlung also etwa an Matrix‘ Agent Smith in Teil 1 und 2…

Das Grundrecht auf was auch immer, existiert also exakt so lange, wie es dem kapitalistischen Staat dient. Eine rebellierende Masse von 10.000 Menschen ist für seine Gesundheit aber gefährlicher als sich dieser Masse gegenüber als alles andere als ein ,,Rechtsstaat‘‘ zu präsentieren und dem Rest der Bevölkerung zu erzählen, die Exekutive habe sich genau so gewehrt, wie es die Legislative – natürlich in Vertretung des Staatsvolkes – für richtig und wichtig befunden habe.

So kann man zum Beginn von HH2112 ohne Hysterie und Selbstverarschung nur eines Sagen: Respekt an die StrategINNen der Polizei. Für ihr Interesse war es das einzig Richtige zu verhindern, dass sich 10.000 Systemgegner/kritikerInnen (etwa 2/3 davon militant) in Ruhe sortieren und in Stimmung bringen konnten.

Dennoch gibt es allgemeine Tendenzen, die wir sehr begrüßen. Seit längerer Zeit hat die notorische Larmoyanz der Linken offensichtlich auch die Vertreter des Staates ergriffen. Ein jeder Aufschrei der Polizeigewerkschaft, die so brav vor sich hin ritualisiert wie der 1. Mai in Kreuzberger, macht uns lachen. Heisst es nach jedem Fussballspiel und jeder Demonstration ,,ein bisher unbekanntes Maß an Gewalt und Respektlosigkeit gegenüber den Kollegen“ sei festzustellen gewesen, ist das im Falle all der Rainer Wendts etc. kein durchdachter Schachzug, sondern fleißige Selbstemotionalisierung und damit – wie bei der Linken – immer auch Sabotage am eigenen Verstand.

Jeder physische Angriff auf Staat und Kapital, und sei es nur das Anspucken eines Bullen, ist ein kleiner Riss in der demokratischen Unterdrückungskultur.

Zum Abschluss dieses Teils sei nun noch Folgendes gesagt: So sehr schon deutlich geworden sein dürfte, dass wir uns militärischem Denken nicht versperren wollen, so sehr hassen wir jede Gewalt. Doch im Lichte des universellen Nachdrucks der Repression gegen (die eh schon milden) emanzipatorischen Bewegungen in der BRD; im Lichte unserer eigenen Verletzungen; und vor allem im Lichte des Wissens, dass die AusbeuterINNEN und UnterdrückerINNEN dieser Welt nur ein Mittel haben und das vollends ausschöpfen werden, sollte ihre Stellung jemals wackeln – das der Gewalt; im Lichte dessen, wollen wir weder auf eine posthume Heiligsprechung als Märtyrer hoffen, noch uns kniend aber mit moralisierendem Pathos in den Augen die Köpfe einschlagen lassen.

An all die PazifistINNen, die Demos mit Vorliebe in der Badewanne sitzend über Twitter verfolgen und deshalb anschließend immer die Ersten sind, die über Gewalt und böse Vermummte schwadronieren [siehe etwa: Daniel Broeckerhoff – Ich habe kein Verständnis oder La Vie Vagabonde – Lampedusa/hh2112]: Wenn ihr Mandela feiert, geht 24 Jahre in den Knast, er hat das auch nicht zwischen Schamponieren und Föhnen von anderen verlangt. Wenn ihr Schläge wegstecken wollt, nur weil die Schläger einen Dienstausweis dabei haben, dann stellt auch in die erste Reihe und tut das. Ansonsten: Fresse halten. – Die ohne Ahnung und mit viel Hörensagen- und ARD-Wissen müssen nicht immer die unumstößlichste Meinung haben. Für alles andere haben wir kein Verständnis.

Strategie
Das erste Kapitel ist mit Grund länger geworden als dieses. – Auch wenn die Cops doch verhältnismäßig wenig einstecken mussten, dafür dass sie etwa 6.000 (vor allem optisch) ,Militante‘ stoppten: Die größte Stärke des Staates ist nach wie vor die ideologische Hegemonie, deren Spektrum des Gewaltdiskurses selbst auf Linksunten überwiegt. Wir hoffen mit unserem Beitrag einen kleinen Anteil am Zerbröseln dieses Betons in den Köpfen (zumindest zunächst einmal der radikalen Linken) zu haben.

Ansonsten gestehen wir ein, dass wir strategisch wenig Konkret-Innovatives beisteuern können. – Zumal wir den Rahmen militanter Demonstrationen an dieser Stelle nicht sprengen wollen, d.h. es nicht um klandestine Aktionen, Guerilla etc. gehen soll.

Fatal erscheint uns diese glatte Niederlage langfristig jedenfalls gerade an einem Ort wie dem Schanzenviertel. So gentrifiziert etc. es längst sein mag: Im Verhältnis zu den meisten Bewohnerschaften dürfte hier ein alternatives Publikum Zeuge eines durchgehend souveränen Staates geworden sein, der sich auch von einer – rein zahlenmäßig – richtiggehenden kleinen Armee Schwarzgekleideter, keinen Millimeter bewegen ließ.

Wie Wolfang Pohrt einst klug bemerkte: ,,Der Gewaltverzicht der Bürger, und noch mehr der des Proletariats, entstammt nicht dem friedfertigen Charakter einsichtiger Subjekte, sondern er entstammt dem Erstarren vor dem Schrecken, welchen eine terroristische Staatsgewalt einflößt.“ Sollte es in der Schanze bis dahin auch nur zwei Tautropfen dieser Art gegeben haben, liegt hier seit dem 21.12. wieder ein astreiner Eisblock; vielleicht wütend, dominiert aber in jedem Fall vom Gefühl der Ohnmacht. So etwas zugelassen zu haben ist eine unzweideutige Niederlage, so sehr die mit Punk- und Hassmusik untermalten Antifa-Riot-Video-Schnippselein auf YouTube und manch eine militante Deutung in Textform auch das Gegenteil suggerieren mögen.

Deshalb hoffen wir auf der Ebene der Strategie langfristig eine Mentalität und Selbstverständlichkeit bezüglich Bullenaktionen gegen unsere Demos etablieren zu können, wie sie bei Fussball-Ultras Gang und Gäbe ist: So vage das klingen dürfte, ist es notwendig auf mehr Standhaftigkeit, weniger Hysterie und mehr Zusammenhalt hinzuarbeiten. Auch mit Kleingruppen, die sich gegenseitig nicht kennen.

Kann das BFE begleitet von nichts als Gemaule beliebig jedeN von uns rausgreifen, wie soll mensch dann ruhig bleiben anstatt bei jedem Bullengebrüll panisch die Flucht zu ergreifen? Wie sollen aber – selbst 10.000 – panische Individuen in Kleingrüppchen eine kraftvolle Demo durchführen, wenn mit Garantie jedes Mal ein Stoßtrupp Cops ein Auge darauf haben wird?

Darüber hinaus scheint es uns elementar, zukünftig unsere Aktionen stärker auf sinnvolle Ziele zu richten. – Wieso marodieren 200 Militante an einem EDEKA vorbei, wenn sich in der Parallel Straße nur 10-15 Leute für einen Angriff auf 6 einsame Bullenkutschen finden (siehe Kapital HH2112 konkret)? Und weshalb greifen von jenen wiederum nur 1-2 Leute eines von insgesamt vielleicht zwei oder drei zentralen Bullen-Kommandovehikeln an? Diese müssen in Zukunft Ziele unserer Bemühungen werden. Bisher halten es die Bullen nicht für nötig sie gesondert zu schützen.

Allgemein scheinen Fahrzeuge, insbesondere WaWes und ,Räumfahrzeuge‘ 100%ige Erfolgsgaranten der Bullen zu sein. Auch über einzelne Taktik-Empfehlungen hinaus (s. dort) sind Fahrzeuge in umkämpften Häuserschluchten aber allgemein durchaus wunde Punkte. Wenngleich man militärische Situationen keinesfalls mehrheitlich auf militante Massendemos übertragen kann, darf man durchaus hoffen aus Überlegungen dieses Bereichs in näherer Zukunft einmal einen entscheidenden Vorteil zu ziehen. Vielleicht gar einen, der dann weiterer Kreise zieht. Riot Cops – allemal die einkasernierten Einheiten in anderen Staaten – tauschen sich längst mit Militärs aus und trainieren Häuserkampf und Co. Das zu tun mag für uns albern sein, Blicke in ihre Bücher sind es nicht.

Noch viel mehr bedienen sich die Cops der militärischen Ebene im Infanterie- (Fusssoldaten-)Bereich. Dass die Demo die Unterführung durch den Bahndamm nie durchschreiten durfte, war kein Zufall; jedes Riot-Kid, das den faschistoiden Streifen „300“ gesehen hat, weiß um die strategische Bedeutung von Engstellen. Nachdem unsere Straßengefechte (bisher) fast immer ohne Schusswaffen ausgetragen werden, erleben hier also auch Taktiken aus Antike und Mittelalter jedes Mal ein Revival.

Nachdem sich unsere Grüppchen unkoordiniert bewegen werden uns Zangenbewegungen etc. wahrscheinlich noch ewig verwehrt bleiben. Ein Gespür für geeignete Situationen – offensiv wie defensiv – ist aber durchaus leicht erlernbar (s. auch Taktik).

Eine Seltenheit (leider), die Hamburg offen gezeigt hat, ist dass einzelne verletzte Bullen ganzen Hundertschaften und mehr ein Klotz am Bein sein können. Wenn vier Bullen aus drei Einheiten einen fünften Bullen abtragen müssen (und dabei kaum aktionsfähig sind), werden sich ihre EHus in der ganzen Zeit nur unwesentlich weiterbewegen können. Solche Situationen kann man nutzen und herbeiführen. – Ließen die Bullen auch nur einen Verletzten der Ihren alleine, würde das die Psyche, Geschlossenheit und damit Effektivität aller Bullen in Zukunft maßgeblich ändern. ,Kameradschaft‘ zählt geschlossenen Einheiten genauso viel wie irgendwelchen Soldaten (siehe z.B. den italienischen Film ,,A.C.A.B.‘‘). – Das ist nicht nur eine Stärke, sondern kann auch zu irrationalem Verhalten und Selbstgefährdung führen.

Abschließend ist zu diesem Kapitel noch die Sonderrolle von Demos hervorzuheben: Bis auf die seltenen Angriffe auf einzelne Streifenwegen sind Demos die einzigen Momente, in denen wir zahlenmäßig überlegen sind. Physisch wie psychologisch nutzen die Repressionsorgane das konsequent aus: PKs, Hausdurchsuchungen, Kameras, Internetüberwachung..
Schon allein deshalb ist es lächerlich genau dann am lautesten ins Horn der ,,Gewaltfreiheit‘‘ zu stoßen, wenn der Vorteil von Gewaltanwendung ein einziges Mal auf unserer Seite sein könnte; falls wir nicht selbst bei mancher Großdemonstration mit einer zahlenmäßigen Übermacht konfrontiert sind.

Deshalb, und auch mit Hinblick auf sonstige Haltungen zu ausgleichender Gewalt [s. Allgemeine Annahmen, Abs. 7] halten wir die Idee für bedenkenswert Riot-Cops in Zukunft verstärkt zu fotografieren, falls möglich zu identifizieren und z.B. auf dem Rückweg von Arbeit so zu behandeln, wie sie uns begegnen, wenn sie ihre Uniformen anhaben. Es ist ein Irrtum zu glauben, man könne die tagsüber verübte Gewalt, mit Verweis auf Befehlsnotstand und ähnliches, zusammen mit dem Knüppel in der Dienststelle lassen. – Fehler bei der Identifikation der Knüppelgarde auszuschließen wäre dann selbstverständlich ein Muss.

An dieser Stelle: Weiß nicht zufällig einE Hamburger Genosse/in Herrn Mirko Schreibers Adresse? Man sollte ihm für seine vielen Live-Berichte ,,Danke‘‘ sagen gehen.

(Zu einem strategischen Zug siehe auch noch HH2112 konkret)

Taktik

Fernkampf und Diverses

Das Black Block-Konzept finden wir ungebrochen sehr sinnvoll und gut. Insgesamt würden wir ergänzend vorschlagen eher Jeans als schwarze Hosen zu tragen und eindeutige, schnelle und simple Umziehvarianten zu wählen. – Zieht eine Gruppe mit schwarzen Hosen und dunkelblauen Fleecejacken durch die Straßen, und hat noch schwarze Windbreaker unter den Armen, checken das sogar die Pigs. Das scheint noch nicht allen klar zu sein. Gerade Insignien von Hippie-ProtestlerINNEn, wie Fahnen, Cappies, Tröten etc. können einfach und schnell einen Unterschied machen.

Besonders gut und effektiv könnten wir uns für die Zukunft Seile vorstellen, um unsere Demos zu schützen. Womöglich ist ihre Mitnahme nicht einmal illegal (was bekanntlichermaßen für die Praxis einen Scheiß heißen würde). In jeden Fall würde ein Seil an der richtigen Stelle einen BFE-Trupp abrupt stoppen; ob sie es nun sehen oder nicht – auch Knoten müssen mit Quarzhandschuhen an den Händen und unter Steinbewurf erstmal geöffnet werden.

Der taktische Einsatz solcher Seile erfordert im Gegenzug natürlich sehr viel Überblick und Voraussicht. Sie etwa zwischen Gruppen von uns zu spannen, sie in Marschrichtung oder gar im Rücken angegriffener GenossINNen zu platzieren wäre eine Katastrophe!

Elementar wird es zukünftig sein noch viel stärker Einsichten über Gruppendynamiken zu sammeln und diese zu beachten. Rennen (wie auch in Hamburg) mal vier von uns mit Steinen auf Bullenwannen zu, auch wenn diese unter lautem Tatütata auf unsere Barrikaden zurasen, wird das Gleiche passieren wie dort: Unter Angriffen eines ganzen Mobs werden die Pigs panisch anfangen zu rangieren und die übereifrigen Bullenhäufchen, die schon abgesessenen sind, werden sich erst in Tiefgarageneingange verkriechen und dann trotzdem noch ein paar Pflastersteine fressen. – BFE hin, BFE her.

Hätten Leute aber auch an dieser Stelle, wie sonst quasi immer, panisch angefangen zu rennen, bevor auch nur irgendetwas passiert ist, wäre es nie zu diesen erwärmenden Szenen gekommen.

Solche Panikreaktionen kommen einerseits von unserer (guten und scheinbar derzeit alternativlosen) Kleingruppenorganisation, die leider aber auch vereinzelt, und zusammen mit einer verständlichen aber fatalen JedeR-rettet-sich-selbst-Haltung die Zerschlagungs- und Verhaftungsraten der Bullen nur hochtreibt (siehe auch Strategie). Andererseits sind aber auch zu viel Respekt, d.h. Angst vor einer brutalen Bullenübermacht gerade Momente, die diese Verhältnisse erst ermöglichen (siehe auch Nahkampf). Diesen Kreislauf gilt es zu durchblicken und durchtrennen.

Eine weitere Katastrophe auf der Ebene gedanklicher Haltung ist die Grundannahme eines ,,Katz-und-Maus“-Spiels, von dem Presse wie linke Foren schwatzten (gerade auch im Bezug auf die Hamburger Nacht auf den 22.). Das Problem daran ist, dass die Maus nur eine einzige Aufgabe hat, sobald die Katze kommt: Rennen. Wenn auch wir glauben sollten, dass das jedes Mal zu tun ist, wenn am Horizont die Visiere blitzen und das blaue Lämpchen kreist, werden wir nie wesentlich mehr erreichen als Touris beim Stierrennen in Pamplona: Ein paar Schwerverletzte und für den Rest eine Flucht mit Nervenkitzel.

In diese Kategorie gehört es auch, dass jeder und jedem klar sein sollte, dass es bei Defensiv-Handlungen noch mehr als bei Offensiv-Handlungen darum gehen muss wirklich einen Effekt zu erzielen. Ein geworfener kleiner Stein (siehe auch unten) und ein reflexartig hochgehobenes Transpi mögen rebellische Gesten sein, genauso wie ein Tritt gegen einen WaWe; die Konsequenz ist aber höchsten die, dass die Bullen Straftaten herbeifantasieren und uns wegen Körperverletzung, Widerstands und Sachschaden vor den Richter/die Richterin schleifen. Wer es für richtig erachtet die Cops anzugreifen, muss auch den Willen haben einen Effekt zu erzielen.

Eine weitere Empfehlung könnten z.T. Mollis in Plastikflaschen sein, wie sie sonst fast nur beim Castor wegen des Waldbodens eingesetzt werden. Eine Plastikwasserflasche, gefüllt mit z.B. dem üblichen Diesel-Benzin-Gemisch, könnte unauffällig und separat von einem starken Böller transportiert werden und erst kurz vor Gebraucht mit starkem Klebeband zusammengefügt werden. [Bild siehe unten]

Ein solcher Molli ist zwar nur schwerlich direkt an einer Fassade oder auf einem Bullen zur ‘Explosion‘ zu bringen (->Timing), aber sicherer zu transportieren und kann u. U. durch Schlittern noch etwas weitere Distanzen überbrücken.

Eine Möglichkeit, um wie in Hamburg am Abend und in der Nacht (kein Spalier etc.), an Zündstoff zu kommen, könnten Tanks von Autos sein. Zugegebener Maßen sind sie mittlerweile fast immer schlossgesichert und man braucht einen Schlauch und Zeit um sie anzuzapfen. Ein Stoßtrupp Pigs der durch eine Benzinlache rennt und dabei einen Molli fängt wäre aber doch zu schön…

Realistischere Überlegungen sind WaWes fortan konsequenter mit Bitumen (erhältlich im Baumarkt) auszuschalten, das man via zerbrechlichem Gefäß auf die Frontscheiben befördert. Ein WaWe 10.000 mag dann noch über Kameras navigieren, einer der alten wäre den Cops fortan nur noch ein effektloser, tonnenschwerer Klotz am Bein.

Auch könnte man versuchen die Reifen von ,Räumfahrzeugen‘ und WaWes mit Mollis u. ä. in Brand zu stecken.

Eine Sache die uns ferner sehr interessieren würde, wäre der Effekt, den Nothämmer auf die (meist aus sog. Lexan gefertigten) Scheiben von Wannen (und WaWes) haben. Hat schon jemand Erfahrungen dazu gemacht? Dumpfe Gewalteinwirkung, wie die von Steinen, kostet sehr viel Zeit und Kraft, wenn sie einen Effekt haben soll. Das war auch in Hamburg wieder zu bedauern (siehe Kapitel HH2112 konkret).

Auch darüber hinaus könnte das militante Standardwerkzeug, der gemeine Stein, weit effektiver eingesetzt werden, wenn man ein paar Sachen beachtet: Wenn die Damen und Herren der Exekutive nicht völlig zusammengepfercht stehen, nutzen einzelne Steinwürfe rein gar nichts. Schubweise Steinhagelsalven abzugeben ist um ein Vielfaches effektiver, da nur so erschwert werden kann, dass die Pigs einfach ausweichen (oder falls möglich blocken).

Um den Salveneffekt zu erzielen braucht es nicht einmal zwingend eine verbale Koordination; aufmerksame Blicke auf die MitkämpferInnen und auf die vorhandene Materialmenge bewirken schon vieles. Auch kleinere Steine – sonst nur eine rebellische Geste (was übrigens kein Gericht interessieren würde) – haben dann als Ablenkung einen entscheidenden Effekt. Die Pigs werden durch ihre Visiere nicht so schnell sehen, Treffer welcher Flugkörper sie am problemlosesten wegstecken können werden.

Eine Konsequenz, die gerade aus dem z.T. völlig albernen Durcheinander- und Hin-und-Her-Gerase der Cops in Hamburg zu ziehen ist, ist dass mensch, wann immer möglich auf jeder großen Straße Barrikaden bauen sollte. Bei einem derart weitläufigen Aktionsgebiet wie in Hamburg kann das die Pigs wertvolle Minuten und viele Nerven kosten.

Entsprechend schon bei Strategie kurz angesprochenen Gegebenheiten halten wir es wichtig sich zumindest einen groben Überblick über Standard-Bullen-Taktiken zu verschaffen. – Das geht auch schon, wenn man die Praxis systematisch beobachtet. Beispielweise rennen BFEs sehr gerne unter Brüllen auf Gruppen zu, die sie von einer Straßenkreuzung aus bewerfen. Hält man in die anderen Richtungen der Kreuzung aber etwa 10m Abstand kann man ihnen in der Regel erst mal in Ruhe weiter zu Fressen geben. – Nicht nur weil sie mit 18kg Extra-Gepäck nicht ewig sprinten können, sondern vor allem, weil sie aus Furcht vor Kesselung und Unkenntnis über die Situation in den abzweigenden Straßen, quasi nie sofort über die Kreuzung hinaus rennen.

Nahkampf
Ein zentrales Anliegen ist uns der Nahkampf. Uns ganz anders, wenn wir die Bilder eines Haufens von 2.000-3.000 Menschen sehen, die es erst gar nicht abwarten konnten ihre Hassis (und z.T. Knüppelfähnchen) zu präsentieren, sich aber noch am selben Ort von einem Rudel dilletantischer Bullen so einschüchtern lassen, dass sie sich gegenseitig fast tot quetschen. – Das führt alle Reden von Militanz und Solidarität ad absurdum.

Überhaupt war es in den ersten 30-40 Minuten der Demo ein krasser Fehler Ketten zu bilden, was auf Urban Resistance auch so vorhergesehen wurde (urbanresistance.noblogs.org). Während die Bullen weder die Möglichkeit noch die Absicht hatten Leute rauszuziehen, da sie viel zu wenige waren, hat die Kettenbildung nur Leute eingezäunt, ihnen selbst die Möglichkeit kurzfristigerer Aktionen gänzlich genommen und obendrein die Verteidigungsfähigkeit aller in der Kette auf null gesenkt.

Dabei sollte doch jedeR längst erlebt haben, dass die Bullen (,die nicht wie in der ,Schweiz‘ Gummischrot haben; wenngleich die ehrenwerte CDU-HH das nun fordert) immer auf Knüppeldistanz gehen, sobald es ihnen passt. – Ein paar Steine auf ihre Panzer und dann minutenlange Tonfa-Schläge auf uns; wer wird wohl besser davon kommen?

Dass die Pigs immer noch Angst haben, bevor sie nach Lust und Laune losschlagen, scheint uns derzeit völlig unbegründet. – Auch wir haben die Stimmung als ,,aggressiv‘‘, d.h. kämpferisch, erlebt, da hat Mirko Schreiber schon Recht. Wie ein Bild im Anhang zeigt, ging es darüber plus etwas Pyro aber kaum hinaus: Kommt der Herr Nachtwächter und guckt böse, heben auch alle HassiträgerINNEN nur noch beschwichtigend die Ärmchen und lassen ihn seine Arbeit machen.

Wie sehr es die Bullen dann doch verwirrt, wenn sie mal einen Schlag kassieren (und hier sogar einen sicher schmerzlosen), zeigt dieses Video: http://www.youtube.com/watch?v=K2nh91yKS1c (Bei Minute 1:25).

Wollen wir jemals die Straße mit Botschaften füllen, auch wenn die Pigs das nicht dulden wollen, werden wir um solche Schlagabtäusche nicht herum kommen. Lasst euch von ihren Absätzen, ihren Helmen, ihren Sturmhauben und Protektoren, ihrem Gebrüll und ihren Uniformen nicht verarschen!: Darunter stecken kleine Würstchen mit ängstlichen Gesichtern. Großmäuler, die es nicht gewohnt sind Treffer einstecken zu müssen, wenn Massen sie angreifen. – Schaut euch ihre Gesicht auf den Bildern im Anhang an: Sie wären gerne Maschinen, sie sind es aber nicht.

Unsere greifbare Angst und vor allem der Respekt vor ihren brutalen Posen sind ihre größte Stärke. Wenn eines Tages plötzlich ein Block seine Traspis fallen lassen und in die Bullen reinstürmen wird, werden sich die Verhältnisse aber der Straße nachhaltig verändern!

Bis dahin wird Transpihalten wohl immer Schläge kassieren heißen. Zumindest auf entschlossene und anonyme Tritte gegen die Ordnungsmacht sollte man bis dahin nicht verzichten.

Allgemein bleibt unser nachdrücklichster Appell: Macht KAMPFSPORT! So wenig Bock wir (anfangs) selbst darauf hatten. Nur her lernt ihr mit Gewalt, Schmerzen und Angriffsbewegungen umzugehen, sie einzuschätzen und sie abzuwehren.

Dann könnt ich auch die Schwächen der Polizeiprotektoren nutzen: Der Hals ist ungeschützt, ein Treffer auf den Kehlkopf ist so gut einer auf die Nase! Ebenso sind der Bereich unter den Achseln, die Oberschenkel beidseitig sowie die Kniekehlen ungeschützte, empfindliche Stellen. Gleiches gilt für die Innenseiten der Arme (siehe Autome Gruppen – Polizeibericht 2010)

Abschließend: Lanzen (das heißt schlicht Stöcke/Stangen über 150cm Länge), das wissen wir selbst, dürften hingegen wieder eher in die Rubrik Wunschdenken gehören. Dennoch: Ein Dutzend Lanzen könnten eine Demospitze erfolgreich vor anstürmenden BFEs schützen, wenn man ihnen einen gleichzeitig eine Klammerbewegung verunmöglichen kann. Wird ohne Spalier an Baustellen vorbeigelaufen oder gibt es viele große Hochtranspis (In Hamburg z.B.: „Hier fliegen gleich die Löcher aus dem Käse“), könnte man sie organisieren. Zumal im Falle des 21. der ganze Florapark mit Lanzen gespickt hätte werden können… Jede sonst so gefürchtete Reiterstaffel hätte in der Folge nur die Wahl zwischen ,Kehrt und Galopp‘ oder unfreiwillig Absitzen und fleißig Kassieren. (Während gegen die quasi nie wirklich eingesetzten Hunde und auch gegen Pferde ohne Visiere Pfeffer helfen könnte – so unschön das auch sein mag.)

HH2112 konkret

Zum Abschluss wollen wir noch exemplarisch auf ein paar Hamburger Aktionen und Momente zu sprechen kommen.
Zunächst geht es uns (wie angekündigt) strategisch um das Setting des Tages: Während wegen Ankündigungen hier zuzuschlagen 2.000 Bullen zum Schutz von City und Weihnachtsmarkt abgestellt waren, hingen andere Pigs vor Einbruch der längsten Nacht des Jahres beim ,,Problemspiel‘‘ des FC Hansa Rostock rum. Man stelle sich vor wie schrecklich chaotisch alles geworden wäre, hätte es noch eine anonyme Bombendrohnung für den Hauptbahnhof gegeben…

Indes brachte der Samstag vor Weihnachten, zusammen mit vielschichten Themen, mehr Menschen auf die Straße als alle anderen Mobilisierungen des Jahres. Auch der Ort war frei wählbar. – Oder vielmehr: Die Orte. Denn mit strategischem Weitblick hatte man eigentlich zahlreiche Demos und Kundgebungen angemeldet. Für die Staatsmacht ein wahrer Alptraum.

Es hätte auch ein guter Schachzug sein können, wenn die Demoleitung im kleinsten Kreis verabredet hätte eine Viertelstunde vor Beginn der Demo etwa einen Kilometer weiter eine Sponti anzumelden. Hätte man dann vor Ort etwa ein Drittel bis die Hälfte der Leute mit dem Lauti dorthin mobilisiert, wäre das Bullenkonzept definitiv kollabiert. Überhaupt war die Schanze wohl nur symbolisch der beste Startpunkt. – Das ritualisierte Schanzenfest samt zugehöriger Niederschlagung hat es den Bullen zu einem kalkulierbaren Ort gemacht.

Es galt also weder einen hermetisch abgeriegelten Ort (->Gipfeltreffen) noch eine feste Personengruppe (->Faschos) zu erreichen, sondern eine der größten europäischen Städten sollte unsere Themen hören.

Entgegen vielem Geschriebenem (siehe etwa Urban Resistance) erachten wir das letztendliche Ergebnis, im Verhältnis zu diesem Potenzial, für alles andere als einen Erfolg. Die Bullen brachten einen Knallkörper (die Demo), der schwacher war als gedacht, kontrolliert in der Schanze zur Detonation. Dass ein paar Funken bis auf St. Pauli fliegen würden, lag im Rahmen ihres Kalküls; mindestens die Hälfte der Leute war bis dahin schon wieder zuhause vor der Glotze.

Diese Umstände waren aber zumindest sicher ein Grund, weshalb die Bullen trotz des klugen Demostopps an diesem Tag alles andere als gut aussahen. Ein müder, kurzatmiger Haufen gackernder Hähne und Hühner rannte und raste an diesem Abend konfus durcheinander und konnte nur Feuerwehr spielen. Die zum Teil wirklich gelungenen dezentralen Aktionen überforderten die Einsatzleitstelle genauso wie den kleinen Landser auf der Straße. Darauf kann man aufbauen.

Sehr schade ist dann aber, dass a) eine Karte fehlte – sowohl zur allgemeinen Orientierung als auch, um noch lohnendere Ziele zu finden, die es auch ausserhalb der City zuhauf gab und gegeben hätte.

b) Wirkten unsere Gruppen stellenweise fast paralysiert von der ungewohnten Möglichkeit sich eigentlich überall minutenlang austoben zu können. – Während sich etwa zehn Leute an der Hamburger Messe abarbeiteten, standen 40 andere unsicher in der Gegend herum; selbst als endlich jemandem aufging, dass um die Ecke ein Knast wartete, war der Rest in seinem hysterischen Davonfließen schon nicht mehr aufzuhalten. Bis die Bullen zögerlich eingetrudelt waren, waren noch exakt zwei Menschen zu sehen, die die gerade ausgestiegenen Cops mit aller begründeten Ruhe mit je einem Stein bedachten, und davontraben konnten, bevor auch nur alle Pigs die Helme auf der Birne hatten.

Allgemein war es sehr fragwürdig, wie sich nach all dem Zorn über rassistische Kontrollen und dem größten Kessel des Jahres an Immobilen abgearbeitet wurde, während man vor der Staatsmacht fast nur Reißaus nahm.

Eine nette Aktion war es da, dass vor dem Millerntor eine Reihe Wannen angegriffen wurde, die dort lediglich mit FahrerINNEn versehen seit über einer Stunde rumstanden. Bevor die Karren entdeckt worden waren, hatte ein Mob von etwa 80-90 Leuten 250 Meter weiter Barrikaden gebaut. Angesichts dessen war es eine verpasste Chance, dass letztlich nur 15-20 GenossINNen wirklich angriffen. – Die Wannen nahmen kaum Schaden und konnten sofort aus der Schusslinie gebracht werden, da versäumt worden war, das vorderste Vehikel (etwa mit einem Bauzaun) zu blockieren.

Auch war es ein Problem, dass der Angriff zu hektisch und unkoordiniert vorgetragen wurde. Waren manche trotz vorheriger Scharmützel noch fit, hatten andere die 250 Meter zu den Wannen noch gar nicht zurückgelegt, als sie schon davonrasten. Dabei hätte man sich im Schutz von Bäumen und Dunkelheit in Ruhe sammeln, kurz absprechen und aufmunitionieren können.

Zum Abschluss soll die Sprache noch kurz auf die Demo selbst kommen, wenngleich mittlerweile dazu (z.T. abstrakt) schon vieles gesagt ist:

Wir verstehen die Verwunderung über das frühe und abrupte Ende sehr gut und hatten selbst nicht damit gerechnet. Dennoch fanden wir es überraschend mit wie wenig Material und Entschlossenheit den Bullen bei ihren Angriffen begegnet wurde. Es ist lobenswert, wie lange der Frontblock dem Wasserwerfer standhielt und Pyro gab es tatsächlich reichlich. Doch dafür, dass ein ganzes Viertel ohne Vorkontrollen als Startpunkt genutzt werden konnte, gab es unerwartet wenig Farbbomben, Steine, Mollis, Leuchtspur etc. (zur Massen-Passivität siehe auch: http://www.flickr.com/photos/boeseraltermannberlin/11484955335/in/set-72…)

Auch ist zu beklagen, dass von den etwa 100 GenossINNen, sich über den Bahndamm verzogen, nur drei den Weg zu der steinreichen Stelle über den Köpfen der Bullen fanden. Allein deren Angriff erschütterte das Bullenkonzept für einen Moment, und weißt mit dem Zaunpfahl auf die Schwächen ihrer StrategINNen hin. 100 Leute hätten den Bahndamm auch gegen die BFEs verteidigen können, die ihn einzeln und zunächst nur im Gänsemarsch und auf allen Vieren betreten konnten. Hätte man hier kollektiv gehandelt und taktische Übersicht gewahrt anstatt aufgescheucht davonzurennen, wäre ein Rückzug der Cops, und womöglich eine gestärkte, hasserfüllte Rießendemo denkbar gewesen; und mit ihr ein ganz anderer Abend.

Stattdessen ließ man einen gerade mal 20-köpfigen Bullentrupp auf Adrenalin über 100m in die Demo stürmen und sich fast gänzlich unbeschadet wieder von Dannen machen. – Die Allmachtsfantasien der Bullen sind dann kein Wunder mehr.

Hätten doppelt so viele von uns das bei halb so vielen Pigs gebracht, wäre dieser Mob nach spätestens zehn Sekunden gekesselt gewesen und zerlegt worden.

Zuletzt
Wir sehen schon jetzt die Kommentarspalte überquellen, vor lauter ,,gewaltfixierte Riot-Kids, geht Bücher lesen‘‘-Kommentaren. Damit haben wir kein Problem, und lesen werden wir mit oder ohne Kommentarspalte weiterhin jeden Tag. – Würden wir das nicht tun, wären wir gar nicht erst auf der Straße gewesen.

Eine Kritik, die wir hingegen verstehen würde, ist das in diesem Text die Militanz den Inhalt von HH2112 gänzlich überdeckt. Das Gegenteil zu erreichen war aber nie unser Ziel – zu Refugees, Flora und Esso-Häusern waren auf der Demo und im Internet auch anderweitig viele informative Beiträge zu finden.

Unser Ziel ist es, zu einer Bewegung beizutragen, die sich über möglichst alle wichtigen politischen und sozialen Themen informiert, die dazu radikal-emanzipatorische Standpunkteentwickelt, kommuniziert und auch begründen kann, und es dann aber eben auch vermag, diese Themen und ihre VertreterINNEN in der physischen Öffentlichkeit zu halten und zu verteidigen.