Die Maschine ist schockiert – selbst 24/7 Gewalt verbreitend – wurde sie am 18. März in Frankfurt angegriffen. Schnell werden die bekannten Marionetten ins Spiel gebracht: die Presse, die Politiker und die Distanzierer. Diese sprechen von einem Aktionskonsens der gebrochen worden wäre, ganz so als ob Blockupy den Protest gegen die EZB besitzen würde.
Aus der Sicht von Blockupy ist das nur logisch, schließlich handelt es sich nicht um ein oppositionelles Bündnis, sondern um eine der üblichen Tarnorganisationen der Parteien. Ulrich Wilken tritt als selbst gekrönter Blockupy-Organisator auf und verurteilt als Mitglied des Landtags selbstverständlich die Gewalt gegen Bullen und Scheiben.
Auch Mitorganisator Christoph Kleine zeigte sich „entsetzt und bestürzt“ angesichts der Gewalt und Blockupy-Sprecher Hendrik Wester , der zwar mit Ums Ganze noch die sympathischste Gruppe des Bündnisses vertritt aber nicht sagt warum ein Krawall überhaupt erklärt werden muss:
„Das ist nicht so, wie wir von Blockupy den Tag geplant haben. Aber man muss auch feststellen, dass offensichtlich das Bürgerkriegsszenario, das die Polizei da aufgemacht hat, von vielen Leuten als Herausforderung und als Provokation begriffen worden ist”. Das Bündnis hoffe aber, dass die Lage nicht weiter eskaliere.
Es sind die gleichen Sätze, die nach dem Riot in Rostock 2007 aus den Mündern der Bewegungsmanager sprudelten. Im Gegensatz zum Distanzierungsritual beim G-8 implodierte der Streit um die Gewalt am 18. März bislang nur im Lager unserer Gegner.
Witzig waren jedenfalls die Dementis aus seriösen und unseriösen Quellen.
Im Rückblick auf die Anti-Gewalt Kampagnen der letzten Jahre seit Genua, fällt zwar eine zunehmende Professionalisierung von Behörden und ihren Helfer_innen auf, die sich sowohl blitzschnell nach einem Vorfall einfinden, aber auch perspektivisch und langanhaltend an der Zersetzung von Widerstand arbeiten – doch wen haben sie damit erreicht? Vielleicht haben sie einige Jugendliche in Berliner und Hamburger Kiezen von der Teilnahme an ritualisierter Randale abgehalten, aber ein wichtiges Signal aus Frankfurt ist doch, das die militante Bewegung Europas sich finden kann und gemeinsam handlungsfähig ist, wenn sie das überhaupt will und darauf hin arbeitet.
Die Saat des Zweifels an bestimmten Aktionsformen – unermüdlich ausgetragen von jenen, die am Tisch der Macht sitzen (wollen) – ist nicht aufgegangen. Die Straßen an diesem Morgen in Frankfurt waren fast menschenleer, ausreichend Platz für alle Aktionsformen, die sich fast immer gegenseitig respektierten. Niemand hat die Berechtigung der friedlichen Aktivist_innen angezweifelt. Unterschiedliche Spektren haben sich ergänzt, wie zum Beispiel der grüne Finger, der eine schwache Polizeikette überwand, deren Fahrzeuge von anderen Gruppen danach erfolgreich angegriffen wurden.
Der Krawall in Frankfurt war außerdem notwendig, um unsere Grenzen auszuloten und Erkenntnisse über die Schwächen der Bullen zu gewinnen.
Zusammenhänge, die militant agieren wollten, waren vorbereitet und schnell unterwegs; eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die aber in jüngerer Vergangenheit oft in Vergessenheit geraten schien. Unzählige Frusterlebnisse wurden gesammelt, so 2013 beim Kessel in der gleichen Stadt. Das Abfackeln von Streifenwagen direkt vor einer Wache hat mit Sicherheit einen demoralisierenden Effekt auf die Bullen bewirkt. Die Erfahrungen der letzten Jahre wurden konsequent umgesetzt.
Für die Einsatzleitung der Bullen schien es problematisch ihr überdimensioniertes Aufgebot zur richtigen Entfaltung kommen zu lassen, eine Erfahrung, die auch Berliner Polizeiführer am 1. Mai schon machen mussten: Sind mehr als 7.000 Bullen auf der Straße, werden die Kommunikationswege sehr lang. Zwischen der Meldung eines zivilen Aufklärers oder einer Gruppe, bis zur Umsetzung der befohlenen Reaktion, vergeht genau die Zeit, die wir brauchen um die Situation erneut zu verändern. Hier rächt sich der Drang der Verantwortlichen, jedem noch so kleinen Protest mit einer stetig wachsenden Überzahl an Bullen begegnen zu wollen.
Bei aller Kritik an einzelnen Aspekten der Randale an diesem Tag, können wir besonders dem „Diss“ gegen die Beschädigung einer Straßenbahn etwas konstruktives entnehmen, nämlich die Frage der Forderungen. In einigen Medien meldeten sich „Aktivist*innen“ die erklärten, die Beschädigung der Bahn sei kontraproduktiv, weil diese öffentliches Eigentum sei, für das Blockupy sich doch einsetzen würde und das sei mit den Zielen des Protests nicht vermittelbar. Die Fragen, die sich nun stellen, sind zunächst, werden an solchen Tagen tatsächlich Forderungen gestellt und wenn an wen überhaupt? Sind Blockupy oder ähnliche Events als Dialogangebote an die Herrschenden geplant?
Und warum haben noch nicht Alle mitbekommen, dass weltweit bei Protesten die lokalen Verkehrsbetriebe angegriffen werden? Weil sie als ein repressives Unternehmen empfunden werden und nicht nur Leute von A nach B fahren.
Zusätzlich bot die EZB Eröffnung genau diese Reibungsfläche, die jetzt zur Klärung beitragen kann, wer mit wem in Zukunft Bündnisse eingehen will. Die Vertreter_innen von Parteien müssen dort verdrängt werden, wo sie versuchen sich einzunisten, egal ob es bei Nazi Aufmärschen ist, bei Castor Transporten, Flüchtlings Protesten, Zwangsräumungen oder bei Gipfeltreffen – wir brauchen dieses Spektrum nicht mal als Deckungsmasse, sie stehen auf der anderen Seite der Barrikade. Die Trennung verläuft nämlich nicht zwischen friedlichem und militantem Widerstand, sondern zwischen Spiegelfechtereien einiger Stellvertreter_innen und Berufspolitiker_innen auf der einen Seite und dem Konzept der Selbstermächtigung europaweit korrespondierender Affinitätsgruppen. Im Drehbuch staatstragender Funktionäre, die ihre Fühler schon lange bei attac drin haben und auch der iL nicht so fern sind, könnten nun Erinnerungen aufkommen, an Zeiten als in Frankfurt schon Mal ein Streifenwagen brannte. Diesen Strömungen gilt es den Weg abzuschneiden.