Heißer März in Frankreich

Tja Johhny, dieser Blog klaut sich wie ein Rabe die Texte zusammen und unterschlägt dabei die Quellen. Wer in dieser Region unterwegs ist, kann sich über folgenden Twitter informieren. Die Berichte sind von Linksunten übernommen:

Der Aktionstag am 9. März gegen die „Reform des Arbeitsmarktes“ sah in ganz Frankreich mehrere hunderttausend Menschen auf den Strassen. Auch wenn es in Paris nicht die 100.000 gewesen waren, die die postkommunistische CGT gezählt haben will, war es dennoch eine beeindruckende Masse, die in der französischen Hauptstadt demonstriert hat.

Im Gegensatz zu den (lauen) gewerkschaftlichen Mobilisierungen der letzten Jahre ging die ursprüngliche Initiative gegen die weiteren Verschlechterungen für die abhängig Beschäftigten diesmal von den Unis und vor allem von den Schüler_innen aus. Gerade letztere sind jene in den letzten Jahre gewesen, die überhaupt noch für überraschende und radikale Aktionen jenseits des überschaubaren subversiven Mileus gesorgt haben.

Soweit man von der Mobilisierungen gegen den Flughafenausbau bei Nantes absieht. Hier gelingt es Kämpfe sowohl in der Breite als auch in der Radikalität zueinander zu bringen. Etwas, was sonst im allgemeinen in den letzten Jahren in Frankreich nicht gelungen ist. Selbst der Tod von Remi Fraisse durch den Beschuss mit einer Offensivgranaten durch die Bullen von den CRS löste zwar etliche militante Antworten aus, die Grössenordnung bei den Demos und Aktionen war aber sehr überschaubar.

Und so galt die Sorge der französischen Regierung vor dem Aktionstag auch weniger der Mobilisierungsmasse der Gewerkschaften, als einer unkalkulierbaren Eigendynamik unter den französischen Jugendlichen, die schon in der Vergangenheit entscheidend dazu beigetragen hatten, dass geplanten soziale Einschnitte aufgrund des Drucks der Strasse nicht realisiert worden konnten.

Die Erinnerung an 2006 ist in Frankreich in allen Lager noch allgegenwärtig. Die damaligen Proteste gegen den Contrat Première Embauche mündeten in landesweiten Demos und Aktionen, an denen sich zum Ende Millionen Menschen beteiligten. Es kam landesweit zu Unruhen und Zusammenstössen. Am Ende musste die Regierung klein beigeben.

Der 9. März sah nun also nicht nur in allen französischen Grossstädten durchaus üppig geratene Demonstrationszüge, sondern es kam auch in mehreren Städten zu militanten Aktionen aus den Demos heraus. Die Bereitschaftsbullen von den CRS, die im Gegensatz zu den sonstigen Demos der Gewerkschaften in großer Zahl Präsenz zeigten, lieferten sich zusammen mit ihren Schlägerkameraden in Zivil gleich in einigen Städten Zusammenstösse mit jugendlichen Demonstranten. Darüber hinaus wurde dem Aufruf am Morgen vor der Demoteilnahme einfach die eigene Schule zu verbarrikadieren, an zahlreichen Plätzen Folge geleistet.

Gut gelaunt begann der 17. März für zahlreiche Pariser Oberschüler_innen. Teilweise schon in der Morgendämmerung machten sie sich auf den Weg, um Mülltonnen und anderes Material einzusammeln, um damit die Zugänge zu ihren Schulen zu blockieren. In Paris waren am Ende 40 und landesweit wohl an die 200 Schulen unzugänglich.


 
Anschliessend formierte sich der Zug der Schüler_innen, die gemeinsam zum Auftaktort der zentralen Demo am Platz der Republik zogen. Die Stimmung war ausgelassen, ja fast euphorisch. Immer wieder gingen Scheiben zu Bruch, wurden Fensterfronten und Wände mit Parolen geschmückt. Die ersten Bulleneinheiten, die versuchten, sich vor die Demo zu setzen, wurden attackiert und mussten sich zurück ziehen, bis Verstärkung eintraf. Und es waren eben nicht nur die üblichen Verdächtigen, die aktiv wurden. Am Ende fand die Demo der Schüler_innen ihren Weg zum Platz der Republik, wo erst einmal verschnauft wurde, bevor es um 14:00 Uhr weiterging.

Der zentrale Demonstrationszug, der sich dann dort in Bewegung setzte, wurde dominiert von den unabhängigen Studenten_innen und Schüler_innen, dahinter formierten sich CGT, FO, die Syndikalisten von der CNT, die Langweiler der trotzkistischen Parteien… Es waren nicht so viele wie vor einer Woche, als die Gewerkschaften massiv mobilisiert hatten, aber es war  immer noch eine grosse Masse, die durch die Strassen der Innenstadt zog.

Auch jenseits der Strasse trifft und organisiert man sich dieser Tage in der französischen Hauptstadt. Schon die ganze Woche über finden an den verschiedenen Pariser Hochschulen Treffen und Arbeitsgruppen statt, um sich auszutauschen, kennen zu lernen und zu strukturieren. Um dem einen Riegel vorzuschieben, hatte die Leitung der Sorbonne sowohl das Hauptgebäude im Zentrum, als auch die Standorte für Jura, sowie der Sozialwissenschaften in der Rue Tolbiac schliessen lassen. Trotzdem fanden sich am frühen Abend in einem nahe gelegenen Park um die 100 Leute ein, die dann durch einen sich auf wundersame Art und Weise öffnenden Hintereingang in die Hochschule gelangten. Die Bullen, die eh schon in den Strassen nervös mit zahlreichen Einheiten der CRS und ihren Schlägerkumpeln in Zivil von den Brigades Anti-Criminalité (BAC) Präsenz zeigten, zogen daraufhin massiv Kräfte zusammen und stürmten anschliessend den mittlerweile verbarrikadierten Hörsaal. Dabei flogen ihnen Stühle und Flaschen um die Ohren und der Inhalt eines Feuerlöschers wurde auch noch gegen sie eingesetzt. Im entschlossenen Nahkampf gelang es anschliessend noch eine Bullenketten zu durchbrechen, sodass etlichen Teilnehmer_innen der Besetzung die Flucht gelang. Währenddessen prügelten draußen auf die Strasse andere Einheiten auf herbeigeeilte Unterstützer_innen ein. Im übrigen war dies erst das zweite Mal seit 1968, dass die Leitung der Sorbonne Unigebäude schliessen ließ. Das erste Mal geschah dies 2006, wie diese gesellschaftliche Konfrontation ausging, ist ja bekannt.

In Rennes begann der Tag damit, dass Tausende in den zentralen Bahnhof der Stadt einfielen und anschliessend die Gleise blockierten, der Zugverkehr brach daraufhin über Stunden zusammen. Anschliessend zogen mehrere hundert Leute zum Rathaus und hinterliessen farbige Grüsse an der Fassade. Als die Bullen intervenierten, flogen auch einige Gegenstände in ihre Richtung, woraufhin dann grosszügig Tränengas verschossen wurde. Zusammenstösse wurden auch aus Nantes gemeldet, hier gab es brennende Barrikaden vor einer Schule und eine Berufsschule war am frühen Morgen ohne intakte Fensterscheiben. Während der Demo kam es zu einer kurzen Auseinandersetzung mit Ordnern der CGT, die etwas dagegen hatten, dass das Rathaus mit Farbe verziert wird. Im Laufe der Demo gingen dann Scheiben zu Bruch und es wurde großflächig Farbe mit umgebauten Feuerlöschern in der Innenstadt verteilt. Daraufhin folgte Tränengaseinsatz der Bullen, was den Demonstrationszug spaltete. Nachdem sich die Demo teilweise reorganisiert hatte, zogen noch einmal um die tausend Leute zum Bullenrevier, um die Freilassung der Festgenommenen zu fordern. Hier erneute Konfrontation mit den Bullen, noch mehr Tränengas. Stress mit den Bullen gab es auch in Marseille und Straßburg.

Landesweit dürften über 100.000 Menschen auf den Strassen gewesen sein. Die Stimmung war allgemein ziemlich aufgeräumt, die Parolen fantasievoll und die Bereitschaft zur Konfrontation scheint langsam aber stetig zu wachsen.

Am 21. März wurden im Großraum Paris erneut Strassen und Oberschulen handfest blockiert und anschließend zogen hunderte Schüler_innen durch die Strasse.
Gegen die Repression richteten sich Aktionen an der Aussenstelle der Sorbonne in der Rue Tolbiac richten. Dort waren vergangene Woche die Bullen gegen eine Versammlung von Student_innen vorgegangen, die sich mit der Schließung der Uni für Protestversammlungen nicht abfinden wollten. Nach einer Besetzung des zentralen Hörsaals hatten die Bullen die Uni gestürmt, mussten sich allerdings gegen massive Gegenwehr durchsetzen und dann auch noch den Schmach hinnehmen, dass ein Teil der bei der Aktion Festgesetzen einfach eine Bullenkette durchbrechen und entkommen konnte. (VIDEO !)

Anschliessend kam es noch zu einer spontanen Demonstration, bei der ein Parteibüro der sozialistischen Partei besucht wurde, sowie Scheiben von Banken und Geldautomaten zu Bruch gingen. Die verpeilten Bullen tauchten erst ziemlich spät auf und konnten lediglich einen Menschen festsetzen. (Video zur Aktion)

Bei der aktuellen Auseinandersetzung geht es für alle Beteiligten nicht nur um die von der Regierung in den Gesetzesvorlagen geplanten Einschnitte. Letztendlich werden die Vorhaben, so sie gesellschaftlich durchsetzbar sein werden, einen ökonomischen Umbau einläuten, der analog zur deutschen Agenda 2010 die französische Gesellschaft radikal verändern wird. Nicht umsonst wurde der in Deutschland mittlerweile vorbestrafte Antreiber der Agenda 2010, Peter Hartz, von führenden französischen Regierungsvertretern nach Paris eingeladen und sogar von Präsident Hollande persönlich empfangen.
Bereits im April letzten Jahres war der französische Finanzminister Michel Sapin zugegen, als die OECD ihre Analyse zur Entwicklung der französischen Wirtschaft öffentlich vorstellte. Im Fokus standen schon damals der hohe Anteil von Beschäftigten im öffentlichen Sektor und die aus Sicht der OECD zu hohe Absicherung von nicht prekär Beschäftigten.

Auf der anderen Seite dürften die Jugendlichen, die derzeit der Motor der Bewegung gegen das Loi Travail sind, ahnen, was auf sie in den nächsten Jahren zukommen wird, wenn es ihnen nicht gelingt, das Gesetzesvorhaben zu Fall zu bringen. Schon jetzt bleibt jeder vierte nach dem Schulabschluss ohne Job, viele andere hangeln sich von einer kurzfristigen Beschäftigung zur nächsten.

So aber hört und liest man dieser Tage in Frankreich auf den Strassen und Mauern Parolen und Texte, die über die Begrenzung einer sozialen Bewegung hinaus reichen und an den Pariser Mai, Italien 77 oder Westberlin 1981 erinnern lassen. Wir werden sehen…

In Rennes haben hunderte Schüler_innen und Studenten_innen die Gleise der Fernbahnverbindung blockiert. Daraufhin wurde der Strom der Oberleitungen abgestellt und der Zugverkehr war für längere Zeit unterbrochen. Anschliessend zog ein Demonstrationszug zum Rathaus, wo es zu Zusammenstössen mit den Bullen gab, die Gasgranaten verschossen. In der Folge Zusammenstösse und Barrikadenbau in der Innenstadt. (Video)

Derzeit völlig offen ist noch, was die Anschläge in Brüssel für die Situation in Frankreich bedeuten werden. Formal gilt ja weiterhin der Ausnahmezustand, der nach den terroristischen Attacken im November in Paris vom Parlament bis zum 26. Mai verlängert wurde. So waren z.B. die geplanten Proteste gegen den Klimagipfel Ende letzten Jahres in Paris aufgrund des Ausnahmezustandes nur sehr „eingeschränkt möglich“, die Demo am Platz der Republik wurde von den Bullen auseinander genommen. Auch ist die Frage, was Befürchtungen über mögliche neue Anschläge in Frankreich für die weiteren Mobilisierungen bedeuten werden.

Der 24. März begann, wie auch an den vergangenen Aktionstagen, mit (Material) Blockaden von Oberschulen im ganzen Land. An der einen oder anderen Schule marschierten Morgens die Bullen auf und gingen mit Gewalt gegen die protestierenden Schüler_innen vor. An einigen Stellen wurden auch kleinere Barrikaden auf den Strassen an den Schulen gebaut, bzw. wurden Feuer gelegt.
In Paris wurden außer den Schulen auch die Hochschulen Paris 8 und die Aussenstelle der Sorbonne in der Rue Tolbiac, sowie die private Hochschule Science Po blockiert.
Die Bullen sind heute in Paris massiv aufgefahren, die Schülerdemo am Vormittag wurde von ihnen mehrmals, auch mit Tränengas, angegriffen. (Video Periscop). Die Leute haben sich aber gut verteidigt, teilweise mussten die Bullen auch gut einstecken. Anschliessend kam es bei der zentralen Demo in Montparnasse zu neuen Zusammenstössen, die begannen, als die Schüler_innen versuchten, sich an die Spitze der Demo zu setzen, woraufhin es sowohl zu Zuammenstösse mit Ordnern der CGT als auch mit den Bullen kam.
„Paris wach auf und erheb dich“ hallt es in den Strassen, es geht bis zum Fusse des Eifelturms. Es heisst, es seien auch einige Molotow Cocktails auf die Bullen geflogen, bevor die Leute sich zerstreut hätten, als immer mehr Verstärkung anrückte.

Landesweit sind erneut zehntausende Leute auf den Strassen gewesen, aus mehreren Städten werden Zusammenstösse gemeldet:
-In Rennes haben die Bullen das Rathaus massiv abgeriegelt, während der Demo von mehreren tausend Menschen werden Schaufenster eingeworfen, es wird gesprüht und es kommt zu Plünderungen.
-Auch in Nantes kommt es zu Zusammenstössen bei einer Demo von mehreren tausend Menschen (die Nachrichtenagenturen geben 6.000 an). Die Bullen gehen mit Tränengas gegen Jugendliche vor, die Barrikaden errichten. Über Stunden kommt es immer wieder zu Angriffen der Bullen, doch es gelingt immer wieder sich neu zu sammeln. Die Leute ziehen sich zur Uni zurück, aber auch hier Angriffe mit Tränengas.
– In Lyon greifen die Bullen die Demo u.a. mit Tränengas an.