der folgende Text ist von linksunten übernommen:
Es gibt immer mal wieder Gerüchte um eine Räumung der Cuvrybrache. Gerade scheinen sie mal wieder konkreter zu werden, im Internet wird die Räumung für nächste Wocher befürchtet. Die Räumung passt zur neuen, sauberen Berliner Innenstadt. Sie reiht sich ein in die Räumung des Oranienplatzes mit einer „Teile und Herrsche“ – Strategie, der Teilräumung der, von Refugees, besetzten Schule in der Ohlauerstraße, in der letzen Woche unter Ausnahmezustandsbedingungen, sowie das ewige rassistische Gejammer um die Dealer im Görli. Ganz zu schweigen von der Verdrängung aller, die nicht genug Geld haben, sich die expoldierenden Mieten der Innenstadt zu leisten. In der schönen neuen Stadt werden keine Nischen mehr geduldet – wer nicht verwertbar ist, fliegt. Ökonomischer Druck, Rassismus und Ordnungswahn gehen dabei Hand in Hand. Genug gute Gründe sich der schönen neuen Stadt entgegenzustellen und ihr einige Kratzer und Dellen zu verpassen.
http://www.youtube.com/watch?v=Faj5Py_erp0
Was ist die Cuvrybrache?
Die Cuvrybrache in Kreuzberg, zwischen Schlesischer Straße und Spree gelegen, hat eine lange Geschichte als Freifläche für Anwohner_innen einerseits und gescheiterter Investorenträume andererseits. Aktuell ist sie einer der letzten innerstädtischen Wohnmöglichkeiten für die, die in dieser Stadt keine Chance mehr haben eine Wohnung zu finden, und das werden immer mehr, und derer, die gar keine wollen.
Geplatzte Investorenträume am laufenden Band
Als Kreuzberg noch nicht hip und trendy war, war die Cuvrybrache eine Brache wie so viele in Kreuzberg: Sand, Unkraut und ein paar Schuppen – rausgefallen aus der Verwertungslogik. Das war auch das Glück des „YAAM“, eines multikulturellen Projektes, das die Brache ab Mitte der 1990er zwischennutzte. 1998 musste das YAAM die Fläche räumen, weil die Botag dort ein überdimensioniertes Einkaufszentrum bauen wollte. Schon dagegen gab es Proteste von Anwohner_innen und Gewerbetreibenden. Die Botag hatte sich aber übernommen und konnte, verschuldet wie sie war, das Projekt nicht realisieren. Sie verkaufte an die IVG Immobilien AG, die dort Wohn- und Büroflächen, Gastronomie und ein Hotel vorsah. Auch die IVG kam ins finanzielle Trudeln und auf dem Gelände tat sich nichts, außer daß das Bauschild von den schönen, neuen Immobilienträumen regelmäßig ausgetauscht werden musste. Die IVG, ignorant wie Immobilienschweinchen nun mal so sind, konnte den Wert der Farbgestaltung durch Farbeier nicht erkennen. Aber Profit aus dem Image des ausgeflippten Kreuzberg ziehen wollen.Mittlerweile ist die Brache an die Ritter – Finest Real Estate verkauft und die will dort „Wohnungen, Einzelhandel und Büros“ errichten. Auf den Bildern ihrer Website ist zu sehen wie sie sich das vorstellen. Wie immer der gleiche Alptraum gleichgestylter Langeweiler-Yuppies mit Einkaufstüten vor Kommerz-Scheiss-Luxus-Eigentumswohnungen.
Aber die ganze Zeit hat sich da eigentlich nichts getan. Trotz Zaun wurde das Gelände von den Anwohner_innen als Grillplatz, zum Abhängen, als Gemeinschaftsgärten und zum Graffiti-Sprühen genutzt. Eine Zeitlang versuchte jemand dort einen Flohmarkt zu etablieren, was aber ziemlich schnell wieder einschlief.
Mediaspree, Aufwertung, Widerstand
Aber langsam kam die Aufwertung der Gegend in Gang. Die Cuvrybrache ist Teil des sogenannten Projektes Mediaspree, einer privatwirtschaftlichen Initiative verschiedener Interessensgruppen: Investoren aus der Bau- und Immobilienwirtschaft, Grundstückseigentümer, sowie Senats-, Bezirks- und IHK-Vertreter. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg war darin nicht federführend, sondern Partner im Sinne des Public Private Partnership. Public Private Partnership ist, wenn aus öffentlichem Eigentum private Gewinne werden. Ziel ist die Aufwertung und Inwertsetzung des Spreeufers zwischen Jannowitz- und Elsenbrücke. Dabei werden alle öffentlichen Flächen an Investoren verschleudert. Die Interessen der Anwohner_innen werden, wie beim Bürger_innenentscheid gegen Mediaspree, ignoriert. Bei einem der zahllosen Proteste gegen MediaSpree, wurde die Cuvrybrache im Juni 2010 öffentlich „geentert“. Die enternden Menschen wurden aber von der Polizei gleich wieder unter dem Einsatz von Hunden, Pefferspray und Faustschlägen vom Gelände gejagt. Merke: auch das Eigentum an einer leeren Brache wird vom Staat geschützt. Zumindest an bestimmten Tagen, denn nach dem „Mediaspree entern“-Tag war alles wie immer auf der Brache: chillen und grillen.„BMW Gentrifizierungs Lab“ oder Chaoten als Standortrisiko
2012 kam dann BMW auf die Idee, sein, als temporäres „Forschungslaboratorium“ zum Thema „urbanes Leben und Wohnen in der Zukunft“, getarntes, Marketingprojekt „BMW Guggenheim Lab“ auf der Brache zu etablieren. Anwohner_innen hatten aber keine Lust sich für dumm verkaufen zu lassen und taten dies auf einer Auftaktveranstaltung lautstark kund. Aus Angst davor, dass seine Imagekampagne nach hinten los geht, verlegte BMW die Veranstaltung lieber in den Prenzlauer Berg. Der darauf einsetzende Presserummel war enorm, neben vielen hysterischen Artikeln gab es in linksliberalen Zeitungen auch Zuspruch, dass die Anwohner_innen sich nicht vor jeden Marketingkarren spannen lassen und der Kampf gegen Gentrifizierung durchaus seine Berechtigung hat. Der konservative Innensenator Frank Henkel dagegen wurde im Tagesspiegel zitiert: „Diese Chaoten sind ein Standortrisiko für Berlin.“ Na hoffentlich.Nachdem das „BMW Gentrifizierungs Lab“ erfolgreich vertrieben wurde, siedelten sich immer mehr Menschen auf der Brache an. Camper, Aussteiger, Obdachlose und die Leute vom RäuberLab. Eine angekündigte Räumung im Sommer 2012 mobilisierte viele und fiel vielleicht auch deswegen aus.
Die Eigentumslage ist verworren. Die im Sommer angekündigte Räumung kam von der „Nieto GmbH & Co. Verwaltungs AG“ aus München, auf der Website der „RITTER – Finest Real Estate“ ist die Cuvrybrache eines ihrer Projekte und laut einem TAZ-Artikel kaufte der Berliner Immobilienentwickler Artur Süsskind das Gelände 2011 vom Senat. Auf jeden Fall wollte er im Juni 2013 die neuen Bebauungspläne des, jetzt „Cuvryhöfe“ genannten, Projektes vorstellen. Die Veranstaltung fand passenderweise in einem Zirkus statt und wurde, wie die Vorstellung des „BMW Gentrifizierungs Labs“, zu einem Desaster für die Bauherren. Nach einer turbulenten dreiviertel Stunde räumten sie unter „BMW Lab“ grüßt „Cuvryhöfe“ und „Haut ab“ Rufen das Feld.
Kreuzberg heißt jetzt Rio de Janeiro
Danach ist es erstmal wieder ruhig geworden um die Brache. Auf der Brache wird es allerdings immer voller. Waren es am Anfang einige Zelte und Hütten, entstanden in letzter Zeit richtige Straßen. Menschen aus allen möglichen Ländern finden hier einen Unterschlupf. Einige, wie die Exbewohner_innen der Eisfabrik, wurden bereits von anderen Plätzen hierher verdrängt. Was noch vor einigen Jahren undenkbar war, ist jetzt Realität, eine Favela in der Hauptstadt eines der reichsten Länder der Welt.Her mit der Kohle, weg mit dem Dreck
Mitte Juni gab es die ersten Gerüchte um eine bevorstehende Räumung. Jetzt scheint sich dies konkretisiert zu haben. Auch wenn sie jetzt, nach dem Desaster bei der Teilräumung der Gerhart-Hauptmann-Schule, nicht kommt, irgenwann wird sie kommen, keine Frage – „Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn … für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß …“. Der Profit der Wenigen bedeutet für die Bewohner_innen der Cuvrybrache die Verdrängung, aber wohin? An den Stadtrand, weg von ihren, sowieso geringen, Erwerbsmöglichkeiten wie z.B. Flaschen sammeln. In eine noch unwirtlichere Nachbarschaft? Stoßen sie bei ihren jetzigen Nachbar_innen nicht gerade auf Begeisterung, so gab es doch zumindest bisher keine Übergriffe von außen.Und wie lange wird es dauern bis die Anwohner_innen den Bewohner_innen der Cuvrybrache werden folgen müssen? Denn eines ist klar: Die geplanten 250 Luxuswohnungen auf der Cuvrybrache werden den Kiez um die Schlesische Straße noch einmal umkrempeln. Zusammen mit den Käufer_innen der 33 Eigentumswohnungen, im Gesamtwert von über 8 Millionen Euro, in der schräg gegenüberliegenden Schlesischen Straße 25, sind die neuen, reichen Bewohner_innen eine ökonomische Zeitbombe. Ihre Bedürfnisse und Lebensvorstellungen werden durch ihre ökonomische Kraft die Umgebung auf kurz oder lang prägen. Von der Gastronomie, dem Einzelhandel bis hin zu den Mieten, alles wird noch teurer werden. Wenn, ja wenn die Cuvrybrache denn geräumt wird. Wie ein Szenario für den Tag der Räumung ausschaut, ist völlig offen. Das Gelände ist so unübersichtlich wie die Mobilisierungs- und Widerstandskraft der Bewohner_innen und all derer, die aus dem einen oder anderen Grund gegen eine Räumung sind. Aber still und leise wird das bestimmt nicht vor sich gehen…
…Friede den Hütten – Krieg den Palästen!
Wrangelkiez gegen steigende Mieten und Verdrängung