ZAD: Brief eines Untergetauchten

der folgende Text ist von zad.nadir.org übernommen:

Anlässlich einer Versammlung der Komitees in Nantes, die darauf abzielt, der Repression gemeinsam die Stirn zu bieten, erlaube ich mir, euch meine jüngsten Erfahrungen in Erinnerung zu rufen. So partiell sie auch sein mögen, von ihnen ausgehend spreche ich zu euch. Es geht um eine Geschichte, die man teilen sollte, innerhalb der Bewegung und darüber hinaus.

Ich wurde im Mai 2014 in Paris, wo ich wohnte, verhaftet

, eingesperrt und angeklagt, während der Demonstration vom 22. Februar in Nantes Gewalttaten gegen Polizisten begangen und Sachschäden verursacht zu haben*(Fussnote)*. Glücklicherweise wurde ich wegen einem Verfahrensfehler nach drei Wochen frei gelassen. Dem Prozess, der am 16. Juli begann, konnte ich mich frei stellen. Und ebenso frei habe ich, den Gehorsam des Richters gegenüber dem Staatsanwalt vorhersehend, entschieden, vom Prozess zu verschwinden, bevor ich erneut eingesperrt werden konnte, dieses Mal für ein Jahr, so wie es die Anklage forderte.

Während den Wochen zwischen meiner Verhaftung und dem Ende des Prozesses am 19. Juli 2014 konnten wir uns davon überzeugen, dass die mit der erwähnten Demo verbundenen Untersuchungen und die Gerichtsprozesse dieselbe Methode zeigten, und die selben Ziele hatten: Einerseits einen Teil des Kampfes angreifen, um das Ganze zu schwächen, andererseits verhindern, dass die Praktiken und die Art des Organisierens, die um Notre Dame Des Landes*(Fussnote)* entstanden sind, sich territorial ausbreitet. Für diese Ziele konnte sich ein Teil der Untersuchungen unter den Siegel der Verschwiegenheit begeben, da sie von Geheimdiensten unternommen worden waren. So konnten die Verurteilungen ohne Beweise oder sichtbare Logik erfolgen.

Unter diesen Umständen, und obwohl uns alle Mittel gegeben worden waren, um uns vor Gericht zu schlagen, war es vernünftig, sich nicht passiv dem Urteil des Gerichts in Nantes zu unterwerfen.
Aus diesem Mienenfeld zu desertieren schien einfach und selbstverständlich, besonders weil die Kraft der Solidaritäten im Gebiet der ZAD es erlaubte, es immer noch erlaubt. So konnte ich ohne Angst in der Zone Zuflucht finden, wo ich empfangen wurde und wo ich vollständig an der Besetzung teil haben kann, mit anderen Worten leben und kämpfen. Hier, wo diese beiden Worte tatsächlich als Synonyme erscheinen. Da ich hier dank einer eng begrenzten Gruppe Zuflucht gefunden habe, wollte ich mich zuerst absprechen mit denen die es wünschen bezüglich des Aussagewerts, offen zu meiner Anwesenheit in diesem Gebiet zu stehen. Es schien mit unnütz, über meine Präsenz in der ZAD zu schweigen. Im Gegenteil zeigt das Öffentlich-Machen, was die Solidaritäten, die in diesem Kampf entstanden sind, alles erlauben.

Dies ist die Logik, aus der dieser Brief entstand.

Unter den Aspekten, die der „Anti-Flughafen“ – Bewegung heute diese Stärke verleiht, kann man besonders die dichten und für die Macht undurchsichtigen Verbindungen nennen, Verknüpfungen zwischen all denen die dort teilnehmen, die zu Beginn definiert waren als Bauern, Besetzer, Bürger, Militante, Bewohner, oder anderes. Der Kampf hat durch Gesten und Palaver, einem Territorium und 40 Jahren an Geschichten erlaubt, dass diese Identitäten tatsächlich verwischt wurden, dass die Kategorien in denen man uns angeordnet hat, aufgelöst sind in der Erarbeitung der kommenden Kommune.

Diese Kommune fürchtet der Staat. Weil er sie nicht brechen konnte, versucht er sie zu unterdrücken und die verschiedenen Bestandteile zu spalten indem er ihnen befiehlt, zur Ordnung zurück zu kehren, sei es durch den Umweg der Verhandlungen über einzelne Parzellen, sei es durch ökologische Projekte, oder durch polizeiliche Repression.

Im Moment, in dem sich für zahlreiche junge Menschen die Fluchtlinien zu beschränken scheinen auf den Jihad, auf die primitive/plumpe/grobe Vision der extremen Rechten, oder auf die Fluchten der virtuellen Welten, zeichnet das, was in der ZAD passiert, andere Perspektiven auf, anders und viel lebenswerter, für all jene die sich nicht mehr wieder finden in der alltäglichen Isolation, sinnentleert, für die Wirtschaft zugerichtet. Wir, die desertiert sind um uns dem „ZADistan“ und seinen Möglichkeiten anzuschliessen, sind schon viele.

Die kollektiv bewirtschafteten Felder, die Überlegungen über die gemeinsame Nutzung des Bodens und der Wege, die Momente des Festens genauso wie jene des politischen Konflikts, die siegreiche Verteidigung eines intensiv bewohnten Territoriums, sind Beispiele, die den Kampf gegen ein Flughafenprojekt bei weitem überschreiten. Diese Beispiele sind dazu berufen, dass man sich ihnen anschliesst, dass sie andere Revolutionen inspirieren. Sie rufen zu allem auf, ausser zur Rückkehr zur Normalität, sondern vielmehr zu einer verstärkten Koordination der verschiedenen Bestandteile, in Hinblick darauf sie zu verteidigen und zu verbreiten.