der folgende Text ist von Linksunten übernommen:
Die Bullen sind Schweine. Sich daran abzuarbeiten, ist ebenso überflüssig wie sinnlos. Es geht lediglich um die Frage, wie ihr Handeln effektiv bekämpft und eingegrenzt werden kann. Die Erfahrung der Ohnmacht hat sich tief eingegraben in den Köpfen der Bewohner des Empires – auch in jenem Teil der Population, der sich die Aufhebung des Bestehenden zum Ziel gesetzt hat. Ein beträchtlicher Teil davon hat sich am 21.11. in Hamburg versammelt. Wir wollen einige erste Überlegungen und unvollständigen Beobachtungen veröffentlichen, um einen Beitrag zu Debatte darüber zu leisten, wie wir diese Ohnmacht in unser konkreten Praxis überwinden können.
Das Schanzenviertel ist der denkbar schlechteste Ort, um sich erfolgreich gegen einen Gegner behaupten zu können, der Zeit genug hat, sich vorzubereiten und seine Einheiten in grosser Anzahl auf die Strasse schicken kann. Das haben die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt. Wenn es in der Schanze zu dynamischen Entwicklungen gekommen ist, bei denen die Bullen zumindestens temporär nicht die volle Kontrolle über die Situation hatten, waren es fast immer spontane Mobilisierungen und die Bullen waren nur maximal mit wenigen Hundertschaften im Einsatz. Im Gegensatz zu uns, werden die Erfahrungen in der Aufstandsbekämpfung bei den Bullen seit Jahrzehnten systematisch ausgewertet und entsprechende Schlüsse daraus gezogen. Der Ablauf des 21.12. hat gezeigt, dass die Taktik der Bullen im Schanzenviertel auch dann aufgeht, wenn ihnen mehrere tausend Menschen gegenüber stehen, die bereit sind, sich offensiv gegen den Terror der Bullen zu behaupten.
Ob es von Anfang an der Plan der Bullen war, die Demo vor der Flora schon direkt anzugreifen, ist fraglich. Dagegen spricht, das die ersten Einheiten, die der Demospitze entgegen liefen, erst in Eile ihre Helme aufsetzen mussten. Auch waren die beiden zuerst eingesetzten WaWes ebenso wie die dann den frontalen Angriff vollziehenden Hundertschaften so aufgestellt, wie es für eine einsschliessende Begleitung Sinn ergeben würde. Auch wenn die Bullen dann vermutlich improvisieren mussten, waren sie in der Lage, die gesamte Demo mit fast 10. 000 Menschen innerhalb kürzester Zeit komplett einzuschliessen. Im Endergebnis macht es also überhaupt keinen Unterschied, ob es der geschaffene Kessel von vornerein geplant war oder nicht. Aufgrund der räumlichen Situation und der Erfahrung der Bullen mit “polizeilichen Lagen” in der Schanze war es möglich, diese Demo mit dem grössten autonome Block seit G8 Rostock mit ungefähr 10 Hundertschaften komplett zu kontrollieren.
Den Bullen wurde von Anfang an entschlossener Widerstand entgegen gesetzt. Obwohl es schwierig war, in dieser Situation genug Material zu organisieren, mussten sich die Eliteeinheiten mehrmals zurückziehen, weil der Bewurf so massiv war. Einzelnen Bullen war die aufkommende Panik deutlich anzumerken, einige wurden so schwer verletzt, das sie nicht weiter Menschen zusammenschlagen konnten. Allerdings hatten sie den Vorteil, dass aufgrund der räumlichen Enge nur wenige Menschen überhaupt in der Lage waren, sich gegen die Bullen zu engagieren. Die Meisten waren in der Masse eng zusammengedrängt, besonders vor der Haspa gab es einige Situationen, in der die Leute kaum noch Luft bekamen, weil von hinten nach vorne gedrückt wurde, während die Bullen immer wieder frontale Angriffe fuhren. Nur der Entschlossenheit der Leute vorne, die die Bullen immer wieder zurückschlugen,war es zu verdanken, dass es an dieser Stelle keine Massenpanik mit schlimmeren Folgen gab, bei der Leute einfach erdrückt worden wären.
Erst mit dem erfolgreichen Aussickern aus dem Kessel, das sich mühselig über lange Zeit hinzog und nur in kleineren Grüppchen möglich war, gelang es wieder, Initiative an diesem Tag zu gewinnen. Rund um eine spontane Protestaktion von Recht auf Stadt auf der Reeperbahn konnten sich nach und nach aktionsbereite Gruppen auf St. Pauli sammeln. Hier waren die Bullen häufig völlig überfordert.
Die Reeperbahn mit Weihnachtsmarkt und viele Passanten, unzählige Seitenstrassen und dunkle Ecken, sowie viele potentielle Angriffszielen boten ein Terrain, auf dem unkontrollierte Räume geschaffen werden konnten.Dabei geschah weitaus mehr, als in den Medien und über die Ticker berichtet. Etliche Scheiben von Banken, grossen Geschäftsketten, Ämtern und Nobelhotels wurden eingeworfen, zahlreiche Seitenstrassen mit Baumaterial versperrt. Teilweise waren grössere Mobs unterwegs, die systematisch in Ruhe stabile Barrikaden errichteten, teilweise wurde spontan in loser Zusammensetzungen schnell etwas auf die Strasse gezogen. Kleinere Bulleneinheiten zu Fuss wurden durch die Strassen gejagt, später dann auch eine grössere Anzahl von Wannen mit minutenlangen Steinbewurf vor sich hergetrieben. Erst mit dem Einsatz von drei Wawes, die mit hoher Geschwindigkeit durch die Strassen rasten und sofort Wasser gegen die Menge einsetzen, konnten die Bullen verhindern, dass sich weiterhin grosse Mobs geschlossen durch die Strassen bewegten. Trotzdem gab es immer wieder weitere kleinere Demos, weiteren Barrikadenbau und natürlich die vielen Leute, die trotz etlichen Bullenangriffen weiter auf der Reeperbahn ausharrten. Eine Demo mit um die 500 Leuten, bunt zusammengesetzt, die am späten Abend von der Reeperbahn in Richtung Schanze zog, dabei weiterhin Hindernisse errichtete und Bullen angriff, wurde dann aufgerieben.
Das Dilemma des 21.12. ist hausgemacht. Die massgeblich die Demo vorbereitenden Gruppen haben sich zu sehr auf den politischen Diskurs in Hamburg fokussiert, taktische Fragen scheinen in den Überlegungen über den Ablauf des Tages keine grössere Rolle gespielt zu haben. Es ging wohl eher um Orte der politischen Symbolik: Flora, Esso Häuser, Centro Sociale, Innenstadt, als um die Frage, wie der Tag konkret aussehen soll. Dies hat sich gerächt. Die Kesselung der Demo war so nur im Schanzenviertel möglich, was an einem anderen Ort möglich ist, hat der Abend auf St. Pauli gezeigt. Die Ansage Innenstadt nach der Demo ist unverantwortlich, wenn es keine konkreten Vorstellungen und Planungen in Bezug darauf gibt, wie Mensch mit Eventualitäten umgeht. Nach dem Verbot der Kundgebungen in der Innenstadt gab es als Reaktion nur noch verzweifelt zu nennende Klagen vor den Verwaltungsgerichten, wie eine solche Naivität von Leuten aufzubringen ist, die wohl keine Illusion über das System hegen, verwundert uns. Wer sich dann in die Innenstadt aufgemacht hat, wurde von den Bullen, auch mit Reiterstaffeln, gejagt und gekesselt, laut Medienberichten sollen bei der einzigen militanten Aktion gegen eine Bank in der Innenstadt alle Beteiligten festgenommen worden sein.
Jenseits aller Polemik muss vielleicht auch thematisert werden, inwieweit die “üblichen Netzwerke” in Hamburg rund um die Flora und Recht auf Stadt mit der Organisierung eines solchen Tages auch einfach deshalb überfordert sind, weil sie jenseits aller solidarischen Haltung gegenüber militanten Aktionen einfach nicht Teil einer aufständischen Praxis sind.
Die Kritik muss aber auch uns selber gelten. Zuviele sind mit einer Konsumhaltung nach Hamburg gefahren. Jenseits von Vermummung und Pyro gab es wenig konkrete Vorbereitungen, so braucht es z.B. aufgrund des kaum vorhandenen Kleinpflasters entsprechendes Werkzeug, um Material zur Verfügung zu haben. Auch haben sich angesichts der hohen Anzahl von Angereisten nur erschreckend wenig Leuten am Abend militant engagiert, hier wäre viel mehr möglich gewesen. Ortskenntnisse sind ebensowie Kommunikationsstränge vorher organisierbar. Teilweise haben wir auch Menschen, die nicht der Szene zuzuordnen sind, weitaus mutiger erlebt, wenn die Bullen aufgetaucht sind, als viele Grüppchen, die im blac bloc style unterwegs waren und anscheinend eher zum Gaffen und für den Event nach Hamburg gefahren waren.Die Mobilisierung nach Hamburg fanden wir in dieser Grösse erstaunlich. Schon lange nicht mehr sind jenseits von Antifageschichten wie Dresden soviele Menschen aus den antagonistischen Strömungen zusammengekommen. Ohne die seit vielen Wochen in Hamburg laufenden konkreten Kämpfe um LampedusaHH, Recht auf Stadt und Flora wäre dies nicht passiert. Es scheint ein Bedürfnis zu geben nach einer sozialen Praxis, die die tagtäglichen Ohnmachtserfahrungen aufbricht und den Raum aufmacht, sich in der konkreten Erfahrung auf der Strasse zu treffen. Wie dafür die Bedingungen geschaffen werden können, dass die Bullen diese Ansätze nicht wieder unter totale Kontrolle bekommen, muss selbstkritisch diskutiert werden.
Unsere Grüsse gelten:
Den Leuten rund um den Recht auf Stadt Block, die sich über Stunden von den Bullen nicht haben einmachen lassen- über alle politischen Unterscheide hinweg, dafür lieben wir Euch
Den Leuten aus der Flora, deren Sicht auf viele Dinge wir nicht teilen, die aber konsequent und langatmig “ihr Projekt” immer wieder in die Waagschale werfen, um den Frieden im Empire ein wenig brüchiger werden zu lassen
Den Leuten, die alleine, zu zweit, zu fünft oder zu zweihundert Barrikaden errichtet, Bullenschweine bekämpft und Symbole des Systems entglast haben
All jenen, die zwar unsere militante Praxis nicht teilen, aber sich solidarisch verhalten und sich der Repression der Bullen widersetzt haben
Den Leuten von der mobilen Suppenküche, den vielen, die Verletzte versorgt und getröstet haben
All jenen, die sich um die Infrastruktur im Netz, auf der Strasse oder wo auch immer gekümmert haben
Den Leuten, die am späten Abend noch zur GeSa gezogen sind, dafür auch nochmal von den Bullen auf die Fresse bekommen haben, trotzdem bis zum frühen Morgen ausgeharrt haben, um die Leute in Empfang zu nehmen, die entlassen wurden
Und besonders allen, die von den Bullen zusammengeschlagen, mit Reizgas misshandelt, eingekesselt und festgenommen wurden