„When shall we three meet again? In thunder, lightning, or in rain?“
„When the hurlyburly’s done, When the battle’s lost and won.“
„That will be ere the set of sun.“
Liebe Freund_innen des Blockupy-Bündnisses, liebes Blockupy-Bündnis, oder anders gesagt: Liebe Genoss_innen,
am 30. Mai verfasste der Blockupy-KoKreis eine Stellungnahme zu den Geschehnissen rund um den Blockupy-Protest. Eigentlich ging es dabei hauptsächlich um die Randale und den Riot in Frankfurt anlässlich der EZB-Eröffnung. Das ist das eigentliche Thema des Textes. Dazu wünschte sich der KoKreis ein wenig verklausuliert eine Auseinandersetzung:
„Wir wollen alle Teile der linken Bewegung als politische Akteure ernst nehmen, uns mit ihnen über politische und strategische Fragen auseinandersetzen und – stärker als bislang – auch Absprachen treffen. Die unverzichtbare Basis dafür ist gegenseitige Solidarität“
KoKreise sind uns ein wenig suspekt. Sie lassen hierarchische Struktur vermuten. Trotzdem wollen wir gerne antworten. Allerdings ist es uns beim Formulieren der Antwort nicht immer so einfach gefallen, den richtigen Adressaten zu finden – richtet sich unsere Antwort an den KoKreis, an das Blockupy-Bündniss, oder aber an alle, die dem Aufruf des Blockupy-Bündnisses gefolgt sind? Nach einigem hin und her haben wir uns entschieden, unsere Antwort so zu formulieren, dass sie sich zum Teil an alle, und zum Teil an den KoKreis richten wird. Denn wir denken, dass die Position des Kokreises zwar erst einmal nur die Position des KoKreises ist, der gerne weiter seinen politischen Ausbau vorantreiben will, aber dass die in dem Diskussionspapier aufgestellten Punkte möglicherweise noch mehr Menschen interessieren. Wir hoffen, dass es eine leichte Angelegenheit sein wird, diese Unterscheidung nachzuvollziehen.
Noch eines kurz vorweg: Wir sind kein KoKreis, wir sprechen für niemanden außer uns selbst, also nur für einen sehr, sehr kleinen Haufen von Leuten. Wir haben keine Repräsentant_innen und wir wollen keine haben. Wir fragen uns, für wen der KoKreis spricht. Für den KoKreis? Für tausende, die in Frankfurt auf der Straße waren? Und wenn wer für Tausende spricht, haben Tausende ihn legitimiert, für sie zu sprechen? Ihn delegiert? Gewählt? Wir jedenfalls sprechen nicht für ‚die Militanten‘, ‚die Autonomen‘ oder sonst wen, auch wenn wir uns darüber freuen, wenn wir die Ansichten des einen oder der anderen mitgetroffen haben sollten. Wir sind welche, die Freude hatten am Riot und an der umfangreichen Sachbeschädigung, an jedem brennenden Stapel Autoreifen, an jedem Angriff auf die Bullen. Und wir freuen uns schon auf den nächsten Krawall.
1. „Die großen Erzählungen“ // Der Erfolg
Ein widerständiges Großevent wie zur EZB-Einweihung in Frankfurt ist in Deutschland schon wirklich etwas Besonderes. Der deutsche Staat mit seinen repressiven Gesetzen und einer wohlgenährten Bevölkerung, die sich stets in ergebener (Un)zufriedeheit präsentiert, gilt nicht zu Unrecht als einer der krisenfesten Akteure Europas. Und auch deswegen steht für viele nun die Frage im Raum: Wie konnte Frankfurt eigentlich passieren? Und: Was ist in Frankfurt eigentlich passiert?
Einige von euch üben sich bereits in der Geschichtsschreibung, in einer Geschichtsschreibung, die die Deutungshoheit über die Ereignisse sucht. Die Frage nach Erfolg und Fehlern wird aufgeteilt. War es ein Erfolg? Für wen war es ein Erfolg? Für wen nicht? War es ‚unser Erfolg‘? Oder der der ‚anderen‘?
Wir denken, der Erfolg liegt in der Erfahrung von vielen, doch etwas machen zu können, aus der Lethargie auszubrechen, die Lüge der Ohnmacht zu überwinden, ganz gleich, auf welche Weise die Verschiedenen das geschafft haben. Diese Erfahrung konnte auf vielerlei Weise mit ganz unterschiedlichen Ansätzen gemacht werden. Ein solcher Erfolg gehört niemandem. Oder allen. Jedenfalls gehört er nicht Blockupy, nicht dem KoKreis, nicht …UmsGanze, der IL oder der Destroika. Wenn ihr eure Aktionen als Erfolg erfahren habt, freuen wir uns mit euch. Denn auch für uns war Frankfurt ein Erfolg, und wir denken, dass unsere Erfolge sich gegenseitig bedingen. Wir finden, dass wir alle so viel geschafft haben, eben weil wir so different agierten. Der Widerstand ist – wegen uns allen – im Herzen der Bestie angekommen. Und niemand von denen, die es gerne anders hätten, kam und kommt um diese Erkenntnis herum.
2. „Alles, was uns fehlt…“// Die Solidarität
Als kleiner, aber militanter Haufen freuen wir uns über alle, die mit uns und unserer Art des politischen Ausdrucks solidarisch sind. Das passiert in diesen Zeiten zumindest in der Öffentlichkeit eher selten. Wir haben registriert, das zumindest hier und da jemand vom Blockupy-Bündnis sich nicht öffentlich zu Distanzierungen hinreißen ließ, auch wenn der persönliche Druck enorm hoch gewesen sein mag. Das hat uns gefreut. Wir denken, dass dieses Verhalten das strategisch klügste ist, denn unsere Feinde gewinnen auch deswegen oft so leicht gegen uns alle, weil sie es schaffen, uns genau an dieser Frage zu spalten. Wir denken, dass es auch für alle weiteren Auseinandersetzungen und Kämpfe genau so klug sein wird, sich nicht spalten zu lassen. Im Gegenteil: Das sich positiv aufeinander Beziehen wird uns zusätzliche Stärke verleihen, auch wenn es im ersten Moment sogar politisch falsch erscheint. Unsere Feinde jedenfalls legen sehr viel Wert darauf, uns zu spalten und wenn sie davon keinen Nutzen hätten, wäre es doch sehr merkwürdig, wenn sie so viel Energie darauf verwenden würden.
Nun ist es so, dass manche finden, dass vieles gegen unsere Aktionsformen spricht, bei denen einiges zu Bruch und manches in Flammen aufgeht. Aber auch anders herum wird ein Schuh daraus: In unseren Augen spricht auch vieles gegen manche Aktionsformen. Manche kommen uns zu harmlos vor, dem Elend der Welt nicht angemessen, manches finden wir zu wenig eingreifend, zu ‚kreativ‘, manches verantwortungslos oder zu sehr auf der Ebene des Symbolischen verbleibend. Aber wir bleiben solidarisch mit euch, mit allen, die beitragen zum Widerstand. Wir freuen uns, wenn ihr eure „kreativen und fantasievollen“ Aktionen macht, wir hassen die Bullen jedes Mal mehr, wenn sie euch angreifen und wenn wir können, hindern wir sie daran. Wir freuen uns über jede, die wir von euch auf der Straße sehen, wir freuen uns, wenn unsere Aktionen sich ergänzen und wir würden niemals auf die Idee kommen, euch irgendwo weg zu scheuchen, wenn ihr in unserer Nähe auftaucht. Erst recht würden wir nicht versuche euch festzuhalten und der Polizei auszuliefern, wenn ihr wieder einmal Säure und Pipi aus euren bunten Wasserpistolen verschießt (entschuldigung, kleiner Spaß).
Wir haben gesehen, wie ein paar von euch lustige Fotos gemacht haben, neben der ausgebrannten Bullenkarre in Frankfurt. Und dass ihr dabei so viel Spaß gehabt habt, hat wiederum auch uns Spaß gemacht. Was wir damit sagen wollen: Für uns als kleiner und nicht so wichtiger Haufen ist das mit der Solidarität gar kein Problem. Auch wenn es manchmal schwierig für uns ist, euch zu verstehen, ist es für uns so leicht, solidarisch mit euch allen zu sein. Und wir werden es bleiben, solange ihr die herrschenden Zustände bekämpft und keine Hegemonie, keine Repräsentation anstrebt, die uns dann ein- oder ausschließen soll, ohne das wir das wollen.
3. „Strom gegen Strom, Maschine mit Maschine“ // Die Distanzierung
Wir finden es gut, wenn auch ihr uns akzeptiert. Ihr müsst es nicht im Einzelnen gut finden, was wir machen, ihr müsst vor allem nicht mitmachen, wenn ihr keine Lust dazu habt, und ihr könnt uns auch gerne sagen, dass ihr dieses oder jenes Scheiße findet oder aber dieses oder jenes richtig klasse.
Was wir allerdings nicht und wirklich gar nicht mögen, ist an Aktionen gehindert zu werden, festgehalten zu werden (wer mag das denn überhaupt?), an die Bullen ausgeliefert oder verpfiffen zu werden und dergleichen mehr. Wenn das jemand macht, dann werden wir ungehalten, was wir, wenn es geht, wirklich gerne vermeiden wollen. Uns an unseren Aktionen zu hindern, uns festzuhalten, das ist die Arbeit der Polizei, und die freut sich einfach riesig, wenn wer mithilft, auch wenn sie ihren Helfer_innen danach wiederum hemmungslos auf die Fresse hauen wird, ganz unabhängig davon, was wer vorher gemacht hat, und auch unabhängig davon, wer sich von wem distanziert hat. Das alles ist den Bullen unserer Erfahrung nach scheißegal. Sie bekämpfen uns alle gleichermaßen.
Auch verbale Distanzierungen betrüben uns. Und Distanzierungen definieren wir nicht wie der KoKreis nur als Kontaktabbruch oder Denunziation gegenüber den Bullen. Wir verstehen Distanzierungen auch als das Beugen gegenüber dem öffentlichen Distanzierungsdruck. Wir verstehen Distanzierung als das Formulieren gegenseitiger Kritik über die bürgerlichen Medien. Denn wir glauben, dass dies der Strategie der Herrschenden in die Hände spielt, die so den Widerstand entlang ihrer Kategorien der Vernunft und der bürgerlich definierten Gewaltfrage sortieren können. Integrieren, entpolitisieren, abspalten, ausgrenzen, bekämpfen, herrschen. Die Spaltung des Widerstands bleibt auch heute eines der zentralsten Instrumente der Herrschaft. Und sie schadet nicht nur der einen Seite, die abgespalten werden soll. Sie schadet uns allen. Wenn der KoKreis schreibt, er hätte einiges (gegenüber den bürgerlichen Medien) als nicht verantwortbar und nicht vermittelbar kritisiert, sich aber nicht distanziert, dann ist das nur ein Spiel mit den Worten. Uns erinnert das an die rhetorischen Tricks derer, die verbergen wollen, wo sie stehen, an das, was der KoKreis die „Sprache der Herrschenden“ nennt. Uns kommt es nicht darauf an, wie wir benennen, sondern was getan wird.
Der KoKreis schreibt, er sei in der unangenehmen Situation, sich zu Aktionen äußern zu müssen, die er selbst weder geplant noch durchgeführt hat. Wir fragen uns, warum der KoKreis denkt, er müsste das? Weil danach gefragt wurde? Wer vorher den diskursiven Raum beansprucht, wer vorher vermittelt, die Bewegung zu sein, wer vorher vermittelt, der entscheidende Player mit entsprechenden Ressourcen zu sein, braucht nicht zu jammern, wenn er gefragt wird. Und selbst wenn es wem dann doch unangenehm ist, kann man immer noch sagen, fragt doch die, die es sich ausgedacht haben. Warum fällt das so schwer?
Wir wollen nicht einer Vermeidung von Kritik das Wort reden. Kritik ist uns wichtig. Wir haben alle unsere Grenzen, wir alle haben Aktionen, die wir nicht gutheißen können. Wir müssen uns immer wieder mit uns und anderen auseinandersetzen, die Starre verhindern. Diese Prozesse sind aber nicht über Verfügungen zu erreichen, nicht über erzwungene ‚Konsense‘, nicht über eine Kommunikation, die über bürgerliche Presse, Staat und Bullen geführt wird.
Wir wünschen uns Solidarität von euch, so wie ihr unsere habt, auch wenn es manchmal schwierig für euch ist, uns zu verstehen. Das, finden wir, ist gar nicht viel verlangt.
4. „An tausend Punkten“ // Zusammenhalt vs. Zusammenarbeit
Wir lesen aus dem Text, dass ihr als KoKreis ‚Kooperationsfähigkeit‘ anstrebt. Wir wissen, euer Weg ist die Bündnispolitik. Ihr wollt einen ‚bündnisfähigen und vermittelbaren linken Ungehorsam‘. Es ist nun aber so, dass wir diese Strategie nicht teilen und eine eigene Strategie besitzen. Und weil wir denken, dass es eine gute Sache ist, wenn alle ihre eigene Strategie für ihre eigene Sache verfolgen, müssen uns nicht gegenseitig überzeugen, welche die beste Strategie ist. Wahrscheinlich gibt es sie nicht. Für uns ist kein Bündnis nötig, wenn wir alle in unseren Verschiedenheiten mobilisieren.
Ihr vermittelt, dass wir mit unserer Anwesenheit und unseren Aktionen eure Aktion kaputt machen. Die These, die dabei immer wieder im Raum steht, lautet: Wo wir angreifen, wird Repression erzeugt. Aber bedenkt: Diese These macht die unsichtbar, von denen die Repression ausgeht. Sie nimmt ihnen, die sie ausführen, die Verantwortung für ihr Handeln, für ihre Gewalt. Ganz als ob hinter jedem knüppelnden Bullen eine Militante steht, die ihn überredet hat, den Knüppel zu schwingen. So werden ‚die Militanten‘ nicht nur für ihre selbstgewählte Militanz verantwortlich gemacht (was richtig ist), sondern auch für die Repression des Staates. Nun ist es aber so, dass die Repression uns immer alle treffen wird, sobald wir wirkmächtig werden, egal, wie wir uns vorher benommen haben. Ihr formuliert, dass von euch keine Eskalation ausgeht und schreibt uns zu, dass sie von uns ausgehe. Damit verkehrt ihr die Ursachen der Gewalt: Denn wir sehen es so, dass wir uns wehren gegen bereits total eskalierte Verhältnisse. Wenn jemand Gewalt ausübt und sich jemand dagegen wehrt – nun, es scheint uns so, als sei es ein wenig fehl am Platze, hier von einer Eskalation zu sprechen.
Wir denken, dass die Repression des Staates, wie wir sie in und nach Frankfurt sehen, keine Ausnahmeerscheinung ist. Sie ist meistens leise, oft erscheint sie als eine unbewachte Grenze, oft als die eigene Angst, Regeln zu brechen, oft als Linie, die jemand auf den Boden zeichnete, damit niemand sie übertritt, oft als Bulle in unseren Köpfen. Manchmal allerdings ist auch die Gewalt der Herrschenden laut, wenn ihre alleinige Androhung nicht mehr ausreicht, wenn sie gezwungen ist, offen aufzutreten, brutal, gewaltsam und sichtbar. In Frankfurt hat sie sich offenbart, sie konnte nicht leise bleiben, weil wir alle sie dazu gezwungen haben.
Wir lieben es, die Versuche herrschaftlicher Selbstregulierung zu durchbrechen. Wir lieben den Moment, in dem wir uns von dem Angebot der Unterdrückung unserer selbst zu befreien, wir lieben es, den Staat zu zwingen, die freundliche Maske der eigenen Propaganda runter zu nehmen. Denn in den Momenten, wo die Scharade beendet ist, wo das abstrakte Gewaltverhältnis zu einem konkreten wird, drückt sich ein Stück gelungener Selbstbefreiung aus. Ihr könnt die Art und Weise, wie wir das machen eine ‚identitäre Selbstversicherung‘ nennen, ihr könnt versuchen, unsere Strategien, unsere Wut, unser Handeln so zu entpolitisieren. Aber wem spielt ihr damit in die Hände? Und: Wollt ihr das?
Wir lesen aus dem Text des KoKreises die Ansprache des Vaters an das unvernünftige Kind. Das finden wir patriarchal. Wir empfinden solche Texte und solches Handeln oft als Versuche, Hegemonie über den Widerstand zu erlangen. Denkt ihr wirklich, dass die Vereinheitlichung des Widerstandes zu irgendetwas Gutem führt? Denkt ihr wirklich, dass eure Strategie die einzige ist, die funktionieren wird? Und selbst wenn ihr die Vielheit nicht liebt, sondern nur ertragt, so wisst ihr doch, dass solche wie wir immer da sein werden, dass wir uns den Beschlüssen anderer nicht beugen werden, wenn wir sie nicht teilen. Das wisst ihr doch. Wir denken, dass wir nicht alle an einem Strang ziehen müssen, um die Herrschenden zu Fall zu bringen. Es werden die vielen Stränge sein, die sie letztlich zum Straucheln bringen werden. Dafür müssen wir nicht im Vorfeld und die ganze Zeit zusammenarbeiten, aber zusammenhalten, wenn wir angegriffen werden. Denn der Angriff gilt immer uns allen.
5. „Das sind doch eher so Richtlinien“ // Konsens?!
Wir finden Konsense insgesamt nicht immer so wichtig und für uns ist ein Konsens auch kein Wert an sich. Vielmehr scheint es uns so zu sein, dass wir alle sehr unterschiedlich sind, und es wäre schon eine kuriose Sache, wenn wir es schaffen würden, in jeder Sache einen Konsens zu finden. Der Konsens als Ideal, das wirkt auf uns wie eine ‚Wahrheit in der Mitte‘, wo alle ein wenig von dem bekommen, was sie wollen, und dann soll sich bitte niemand mehr beschweren, weil man sich ja geeinigt hat. Und wenn schon Konsens, dann muss er von allen getroffen werden. Und zwar nicht von allen, die bei der Konsensfindung anwesend sind, sondern von allen, die von dem Ergebnis der Entscheidung betroffen sind.
Bei aller Liebe zu euch und unserem gemeinsamen Kampf, das ist bei dem Aktionskonsens, den ihr für Blockupy aufgestellt habt, nicht der Fall. Ihr habt ihn ohne uns getroffen, und ohne einen Großteil derer, die nach Frankfurt gekommen sind, und weil es der gleiche Konsens ist, der immer wieder auftaucht, ist es auch noch ein Konsens, den ihr unabhängig von aktuellen Ereignissen und Mobilisierungen getroffen habt. Wir denken, Verabredungen sind nicht so allgemein möglich, sondern sie sind immer kontextabhängig. Und der Kontext ändert sich manchmal schnell.
Jetzt kann es gut sein, dass ihr sagt, dass wir uns an der Vorbereitung hätten beteiligen können und dann hätten wir vielleicht einen neuen Konsens gefunden, eine Verabredung, mit der wir alle zufrieden mit gewesen wären. Nach langem Überlegen sind wir zu der Auffassung gekommen, dass wir mit unserer Position nicht wirklich etwas zum Konsens hätten beitragen können. Zum einen, weil wir eben nur eine kleiner und unbedeutender Haufen sind, und wenn überhaupt nur einen Konsens für und mit uns als wirklich kleine Gruppe aufstellen könnten (denn wir würden wie gesagt nicht im Traum darauf kommen, für unsere Genoss_innen ohne sie einen Konsens aufzustellen). Zum anderen, weil wir nicht daran glauben, dass ‚ein bisschen Militanz‘ als Konsens für euch oder uns akzeptabel ist. Denn „Wir sagen was wir machen“, das verträgt sich mit Militanz leider ganz und gar nicht, weil wir eben nicht mal eben so dahin sagen können, was wir machen werden. Und auf eure Vorbereitungstreffen, da können wir zudem manchmal einfach nicht hin, weil es für uns nicht immer ganz ungefährlich ist, und wir alle sehr unterschiedliche Vorstellungen von Sicherheit haben. Und Sicherheit, das könnt ihr sicher verstehen, ist für uns einfach ein ziemlich heikler und wichtiger Punkt.
6. “Wer steht da hinterm Vorhang?” // Maskerade
Aus unserer Erfahrung wissen wir: Die Aktionskonsense, die ihr euch ausdenkt, werden von vielen auf der Straße nicht eingehalten. Aber was ist die Konsequenz daraus?
Wir glauben, dass euch so eine Verabredung vorschwebt: Dass wir uns einfach nicht bei euch herum treiben sollen, wenn ihr eure Aktionen macht, sondern einfach woanders hingehen sollen, solange wir uns eurem Konsens nicht beugen. Wir glauben, dass es euch dann auch leichter fallen würde, Solidarität mit uns zu bekunden, weil wir dann auch nicht so leicht in einen Topf geworfen werden würden, es also eine räumliche Trennung zwischen uns und euch geben würde. Niemand könnte dann sagen, dass Blockupy dort und dort randaliert hätte, weil ihr dann sagen könntet: Nein, Blockupy hat hier block(up)iert, wir machen so etwas gar nicht, sind aber solidarisch mit allen, die heute was gemacht haben.
Wir glauben, dass ihr noch einen anderen Grund habt, warum wir von euch fern bleiben sollen: Weil ihr findet, dass wir andere Menschen in Gefahr bringen, vor allem „die Neuen“, wie ihr sie nennt, vor allem die „Unerfahrenen“, die vielleicht etwas „Ängstlichen“, usf. Dass es also im Sinne von Leuten, die eine Auseinandersetzung mit den Bullen fürchten und scheuen, besser wäre, wenn wir nicht kommen. Dass es mit uns einfach gefährlicher ist als ohne uns.
Wir denken, dass das zum Teil stimmt, zum Teil nicht. Manchmal, so ist unsere Erfahrung, war es durch unsere Anwesenheit sogar ein wenig ungefährlicher, weil sich die Bullen nicht so sehr getraut haben, Leute anzugreifen, die sie aber sehr gerne angegriffen hätten. Aber es ist auch nicht zu leugnen, dass es manchmal gefährlicher wird, wenn wir dabei sind, und halt diese oder jene Sache unternehmen. Unter Umständen gefährden wir dann sogar alles und jeden, nicht nur die Leute, sondern zum Teil eure Choreographie, wie ihr das nennt. Das wollen wir natürlich nicht so gerne, aber es passiert und wenn wir kommen, dann besteht diese Möglichkeit in gewisser Weise immer.
Wir glauben aber auch, dass ein paar von den „Neuen“, wie ihr sie nennt, ein Interesse daran haben, uns kennen zu lernen. Und wir glauben, dass es für ein paar von den „Neuen“ gar nicht so leicht ist, zu erkennen, wo die Unterschiede liegen zwischen uns und euch, und sie glauben, dass wir alle einfach zusammen gehören, was wir eigentlich auch glauben. Und wenn ihr nun eure guten und zahlreichen Möglichkeiten nutzt, um alle nach Frankfurt einzuladen, dann, so glauben wir, kommen ein paar von den „Neuen“ gar nicht wegen dem Aktionskonsens, sondern weil sie denken, dass wir auch dorthin kommen werden, und manche sogar nur deswegen, weil sie Lust haben, genau so etwas zu machen, was wir machen.
Uns erscheint es nun so, dass ihr – wenn ihr nun der Meinung seid, dass „die Militanten“ oder „die Autonomen“ nicht zu euch kommen sollen – das dann auch so sagen solltet. Wir finden, wenn ihr das nicht tut, und in euren Aufrufen mit einem militanten Habitus kokettiert, dann ist es doch klar, dass auch die kommen, die das anspricht. Ihr mobilisiert doch selbst die Leute, von denen ihr euch dann distanziert. Insofern handelt es sich hier gar nicht um eine einseitige Instrumentalisierung, wie ihr behauptet, wenn ihr sagt, dass wir eure Aktionen nutzen um unsere Randale zu machen. Es handelt sich eher um eine gegenseitige Instrumentalisierung. Und gegenseitige Instrumentalisierungen sind doch eigentlich gar nicht so schlimm. Wir glauben auch, dass viele Leute gar nicht so festgelegt sind und dass wir nicht so streng kategorisieren sollten.
Aber: Wenn ihr nicht wollt, dass wir kommen, dann fänden wir es gut und nur richtig, wenn ihr das ganz offen sagen würdet.
7. „ how are we going to make history when you are not here with me?“ // Perspektive
Wir glauben schließlich, dass eine Massenaktion einfach niemandem gehört, auch nicht den Leuten, die zu ihr mobilisiert haben, also weder Blockupy, noch dem KoKreis. Wir glauben, dass eine Massenaktion sich auch entgegen der Planung entwickeln kann, entsprechend dem Wunsch und Willen der Anwesenden. Und dass die Massenaktion dann eben zum Schluss im besten Fall so aussieht, dass alle ihren jeweiligen Wunsch oder ihren jeweiligen Willen ausrücken konnten. Wir denken, dass so etwas eben nicht im Vorhinein geplant werden kann, zumindest nicht vollständig und dass der Fehler nicht unbedingt ist, dass wir auftauchen, sondern dass so geplant wurde, als würde es uns nicht geben, und dann waren wir doch wiedermal ganz überraschend da. Wir denken auch, dass eine Aktion nachhaltig bestimmen zu wollen, obwohl man will, dass mehrere Tausend Menschen daran teilnehmen, nicht nur ein komischer Plan ist, sondern auch eine tendenziell autoritäre Vorstellung, und irgendwie ist es nun mal so gekommen, dass wir solche autoritären Vorstellungen scheiße finden.
Demgegenüber denken wir, dass wir alle zusammen gehören, nicht nur inhaltlich, nicht nur im Ziel unserer Kämpfe, sondern auch ganz praktisch in den Kämpfen selbst. Wir wollen gar keine räumliche Trennung von euch, sondern finden es schön, mit euch zusammen auf die Straße zu gehen. Und zwar zusammen, im Sinne von „zusammen“. Und manchmal, das wissen zumindest ein paar von euch, klappt das sehr gut, und führt sogar zu ein paar sehr erfreulichen, sagen wir mal, Synergieeffekten. Wir brauchen euch und wir denken, dass ihr auch uns braucht.
Wir werden zumindest als der kleine unbedeutende Haufen der wir sind, trotzdem weiterhin zu Massenaktionen kommen, ganz gleich, wer mobilisiert hat. Denn wenn wir mit vielen unterwegs sind, und eben auch mit euch, dann finden wir das einfach am besten. Vielleicht könnt ihr euch ja mal eine Choreo vorstellen, ein Bild von einer Aktion, in dem wir auch vorkommen, unabhängig davon, ob wir uns vorher auf eines eurer Vorbereitungstreffen gesetzt haben.
Wir brauchen unsere großen Zusammenkünfte. Insofern interessiert sich auch unser kleiner und nicht so wichtiger Haufen dafür, wann und wo wir uns als nächstes wieder einmal treffen können. Und wenn ihr auch Lust darauf habt, dann können wir das auch zusammen tun, in tiefer Solidarität mit euch allen vereint, denn wir finden, dass Frankfurt uns ein wenig näher zusammen gebracht hat, auch wenn es hier und da gar nicht so scheinen will.
In Frankfurt hat sich eine Perspektive auf Zukünftiges ergeben. Zurückblicken ist sicherlich nicht falsch – aber vor allem sollten wir weitermachen. Zusammen und ohne uns zu trennen zu lassen. Wir haben gemeinsame Gegner. Und diese wollen uns zu Gegnern machen, denn sie wissen, wie gefährlich wir sind, wenn wir solidarisch kämpfen. Dieses Spiel werden sie nicht gewinnen! Ansonsten sind wir nämlich nur ein kleiner und unbedeutender Haufen – und ihr auch.