der folgende Text ist übernommen von linksunten:
Als organisierter Zusammenhang betrachten wir den Text „berlin struggle“ als Beitrag zur Diskussion um Perspektiven des Freedom-Fights und wollen mit diesem Text darauf und auf einige andere Fragen ausführlicher als gewohnt eingehen. Schwächen in der Textstruktur bitten wir zu entschuldigen. Sie resultieren aus dem Zeitdruck, dem diese Kommunikation im Internet unterliegt. Während dem Entstehen dieses Textes tauchten bereits neue Texte auf, auf die nicht direkt bzw. nur teils eingegangen wird.
Rekapitulation einer Diskussion
Da wir Kontinuität in Diskussionen vermissen, wollen wir die Texte „There’s Gonna be Brighter Days – Autonome Politik in Berlin“ und „Mit Militanz Politik machen?“ kurz rekapitulieren.Hierbei handelt es sich um zwei Beiträge aus diesem Jahr, die sich mehr oder weniger ums selbe Thema drehen.
„There’s Gonna be Brighter Days“ sieht in den Vorkommnissen um Oranienplatz und Ohlauer Schule das Scheitern autonomer Politik, anschlussfähig zu sein. Nächtliche Anschläge werden als Eingeständnis des Scheiterns bezeichnet. Es wird bemängelt, dass bei den öffentlichen Anlässen dieser Thematik keine politische Perspektive Autonomer zu erkennen war, wie beispielsweise die Intervention bei Spontis oder bei den Räumungen direkt.
Begründet wird dieser Mangel mit fehlender Organisierung der Kleingruppen in größeren Zusammenhängen sowie mit Defiziten in der „postautonomen Szene“. Die Autor*innen präsentieren eine deutliche Geschichtsverbundenheit zu den „Autonomen“ und bewegen sich auch sicher in der Gegenwart der antiautoritären Szene. Letztendlich wird die Leserschaft mit dem Zaunpfahl auf die Entwicklungen in Griechenland hingewiesen. Dort folgte auf die Einfallslosigkeit der sozialen Anarchist*innen die Ausbreitung des bewussten Nihilismus. Wie in vielen Texten ist dieser Wink noch etwas grob. Es wird nicht darauf eingegangen, dass der Raum in welchem sich dort Militanz entfaltet nicht nur von den nihilistischen Gruppen geöffnet wird sondern andere Organisierungsversuche die Bereitschaft zum Regelbruch wesentlich erhöht haben.
„Mit Militanz Politik machen?“ geht auf „There’s Gonna be Brighter Days“ ein und stellt das Gleichsetzen autonomer Politik mit Militanz in Frage. Auch hier wird der Blick auf Texte von nihilistischen Gruppen aus Griechenland oder Südamerika empfohlen ebenso wie auf die “Flugschrift zum 1.Mai 2013 für erlebnisorientierte Jugendliche”.
Unter diesem Blickwinkel werden im Text die nächtlichen Anschläge, deren Häufigkeit 2014 gelobt wird, als Erfolge bezeichnet.Nicht klandestine Strukturen sondern die offen agierenden radikalen Gruppen in Berlin sieht der Text in der Krise. Sie seien es, die sich in letzter Zeit von ihrer verbindenden Funktion zurückgezogen haben und den Pfad in die Mitte der Parteien und NGOs angetreten haben.
Vermisst wird in Berlin außerdem die Auseinandersetzung mit aufständischen Situationen international sowie das Festsetzen in umkämpften Räumen hier. Gleichzeitig wird aber gefordert, sich aus Mobilisierungen zurückzuziehen, bevor diese und damit wir eine Depression erleiden. Abschließend wird Militanz eine politische Wirksamkeit unterstellt, wenn sie zusammen mit bürgerlichem Protest eine Drohkulisse aufbaut, wie bei der #Ohlauer zumindest zeitweise erfolgt. Alternativ könne Militanz beispielsweise im aktuellen Fall der militanten Interventionen gegen Luxusbauten eine wünschenswerte Spaltung der Gesellschaft fördern. Am Ende der Aufzählung steht noch die Möglichkeit mit Militanz die richtigen Fragen zu stellen und eine Utopie von mehr Freiheit zu entwickeln.
Erste Gedanken zu den Texten
Was uns an den rekapitulierten Texten nicht gefällt, ist die Identität der Verfasser*innen. Wer als „Autonome*r“ schreibt, der schreibt für Autonome. Menschen, denen diese Zuschreibung fremd ist, sei es weil sie sich bewusst davon distanziert haben oder sei es, weil ihnen die Kultur fremd ist, in die diese Identität eingebettet ist, verstehen diese Sprache oft sehr schwer. Da gefällt uns der Text „berlin struggle“ wesentlich besser. Er richtet sich an alle Freedom-Fighters, also an alle, denen Autonomie nicht nur ein Wort ist und bei denen „Post-Autonomie“ die Rückkehr zu Hierarchie und Fremdbestimmung bedeutet. Wir halten es in der Tat für einen Fehler, in Anbetracht der aktuellen Situation in Berlin Szenedebatten zu führen für eine Szene, die nur noch auf dem Papier/Bildschirm exisitiert. Es ist wichtig, die Diskussion zu öffnen für neue Leute, die es ja jeden Tag gibt. Daher wollen wir an dieser Stelle alle begrüßen, die aus allen Gegenden dieser Welt hierher kommen und nun im Zentrum der westlichen „Zivilisation“ für die Freiheit kämpfen.„Die“ Autonomen
Wie schon vor vielen Jahren in etlichen Texten der „Revolutionären Zellen“ zur Flüchtlingskampagne angesprochen, ist die Suche nach dem revolutionären Subjekt zu Recht gescheitert. So wie es nie „die Flüchtlinge“ gibt, gab es nie „die Autonomen“. Sondern es wurden Menschen damit bezeichnet, die anonym bleiben und sich zu keiner politisch verirrten Strömung bekennen wollten.Wir, ein geringer Teil der in dem diffusen, radikalen Milieu gelegentlich unter dem Pseudonym der Autonomen Gruppen segelnden Zusammenhänge, wollen weder Caritas noch Feuerwehr spielen. Wir machen keine Politik für Mieter*innen, Flüchtlinge oder Kurd*Innen. Autonomie und Stellvertreter*innen Politik schließen sich aus. Wir greifen Staat, Wirtschaft und die sie tragenden Teile der Gesellschaft an. Noch zu selten treffen wir dabei auf gleicher Augenhöhe auf jene Zusammenhänge des Mieten- und Flüchtlingskampfes, die nach ähnlichen Analysen wie wir zu den selben Mitteln greifen.
Wir fühlen uns nicht mit Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder sozialen Deklassierung verbunden sondern weil sie mit den gleichen Motiven ihre Feinde angreifen, die auch unsere Gegner sind.
Die Flüchtlinge, Kurd*innen oder verdrängten Mieter*innen sind viel zahlenstärker als die autonome Szene es jemals in Berlin war; sie brauchen die Szene nicht wenn sie verhandeln wollen oder individuelle Lösungen suchen. Wer hingegen die Hoffnung auf den Senat, eine Bezirksbürgermeisterin oder Parteien verloren hat und den Kampf auf anderen Ebenen sucht, wird uns auf der Straße treffen.
Wir glauben an den ganzheitlichen Angriff, weswegen wir auch sehr viel Hoffnung in den Oranienplatz und die Ohlauer Schule gesetzt haben, die zu einem Teil genau das verkörperten und im Falle der Ohlauer auch noch weiterhin verkörpern. Dieser Teil wird auch immer Teil unserer Kämpfe sein.
Der Staat hat es in der Vergangenheit verstanden, die Überzeugung von einem gemeinsamen Kampf verschiedenster Menschen zu zerstören. Es ist ihm gelungen, die unruhigen Ränder der Gesellschaft zu atomisieren und zu vereinnahmen. Beispielsweise haben perspektivlose, migrantische Jugendliche lange Zeit immer wieder die Nähe zu Antifas oder Hausbesetzer*innen gesucht, wenn es in Kreuzberg auf der Straße abging. Sie lehnten die ihnen zugedachte Rolle in der Gesellschaft ab und trafen sich dabei mit anderen Systemfeinden, nicht unbedingt politisch aber handgreiflich, im punktuell gemeinsamen Vorgehen gegen Bullen und Nazis. „Die Autonomen“ waren also nicht völlig alleine, wenn auf den Straßen etwas abging, es gab Resonanz von anderen Menschen, die in diesem Kiez wohnten, sei es das Türen aufgingen zum verstecken oder Sachen aus dem Fenster auf die Bullen flogen.. Spätestens nach der letzten Straßenschlacht, die von diesen Jugendlichen angezettelt wurde – am 1. Mai 2003 am Heinrichplatz – haben die Repressions- und Assimilierungsprogramme des Staats dieses Bevölkerungssegment völlig auseinandergenommen, siehe auch https://linksunten.indymedia.org/node/120113
Und so wird jederzeit jede Gruppe, die potentiell verdächtig ist, den Verlockungen des autonomen Lebens und Kämpfens zu erliegen, massiven Vereinzelungsprogrammen der Counterstrategie ausgesetzt seien, so wie es jetzt auch die AnwohnerInnen Kreuzbergs sind, denen eingetrichtert werden soll, sie verlören ihre Wohnung durch den Terror linksradikaler Kieztaliban.
Unter Gleichgesinnten
Was den revolutionären Refugee-Kampf angeht, herrscht unter vielen von uns, die die selben radikalen Analysen und Lösungsansätze haben, Unzufriedenheit vor, weil wir den Eindruck haben, keine Beziehung und Kommunikation zu den meisten aufbauen zu können ohne uns einer Unterstützerbewegung hinzugeben, die für uns nicht das richtige ist, da wir mehr leisten wollen als uns individuellen Lösungswegen Einzelner oder auch Mehrerer als Masse zur Verfügung zu stellen.Viele werden zugeben müssen, dass die Unterstützerbewegung, zu der sich zwischenzeitlich auch immer wieder Müll wie die Linkspartei und Grüne gezählt haben, dafür gesorgt hat, dass gewisse Dinge, die möglich gewesen wären nicht passiert sind, als sie eigentlich gebraucht wurden. Wir wären dazu in der Lage gewesen, so manche Polizeiaktion zu unterbinden oder Blockaden zu durchbrechen. Was gerade am Engeldamm mit den Luxusbauten passiert zeigt die Handlungsfähigkeit und die Möglichkeit, dem Gegner gewisse Reaktionen aufzuzwingen. Die Presse, die Politik und sogar die Bullen sind angreifbar und instrumentalisierbar, wenn wir uns nicht von deren verlogenen Moralvorstellungen begrenzen lassen. Während sie Kinder nachts holen und sie ins Gefängnis verschleppen, wo sie auf das Flugzeug ins Verderben warten müssen, reden sie von Tötungsabsicht, wenn sie ein paar Steine abbekommen. Das Problem dabei ist, dass diese Verlogenheit von Teilen der Unterstützer*innen reproduziert wird und somit eine Gefahr für uns darstellt.
Hier sei exemplarisch an die Worte einer Aktivistin der Oury Jalloh Initiative erinnert, die auf einer Infoveranstaltung zu dem Brandanschlag auf die Polizeiwache in Dessau im Januar 2012 den Verdacht äusserte, solch eine Aktion könne nur von Nazis oder den Bullen selbst durchgeführt werden. Falls der Brand und die an die Wand gesprühte Parole »in räumlicher und zeitlicher Nähe entstanden seien«, deute das eher auf eine »gezielt gewollte Kriminalisierung der Initiative und ihrer Mitglieder hin«.
Im Milieu, das sich in erster Linie mit Rassismus beschäftigt, überwiegt der Teil, der glaubt durch Aufklärung relevante Bevölkerungsschichten und Entscheidungsträger*innen der Behörden beeinflussen zu können. Dieser Teil sieht sich einer unermüdlichen Agitation von Politiker*innen der Linken und Grünen ausgesetzt, die einerseits die Flüchtlinge instrumentalisieren um von ihrer eigenen Verantwortung für das weltweite Morden deutscher Sicherheitskräfte abzulenken und die gleichzeitig den, situationsbedingt entweder als „Linksextremisten“, „Chaoten , „Linksautonomen“ oder „Kriminellen“ bezeichneten Militanten vorwerfen, die Flüchtlinge zu instrumentalisieren.Dadurch entsteht für die militanten Zusammenhänge, wenn sie sich auf diese Counterstrategie einlassen, ein doppelter Rechtfertigungszwang. Der Öffentlichkeit soll erklärt werden warum etwas angegriffen wird und der Szene muss vermittelt werden warum diese Militanz nicht dem Anliegen der Flüchtlinge schadet, siehe z.B. den Kabelbrand der S-Bahn.
Ebenso verhält es sich schließlich mit den Angriffen am Engeldamm, wo aus der Forderung Einiger (Text „Debattenbeitrag“) nach einer Grätsche in die öffentliche Diskussion die Frage nach der Vermittelbarkeit der Aktion abzuleiten ist.
Einspruch haben wir nämlich bei deren Analyse, wie die Hetze gegen den „Terror im Kiez“ funktioniert. Wir haben uns davon verabschiedet, immer wieder unsere Leier zu beten und zu heulen, wenn die Propagandamaschine der Bullen und Presse sich heißläuft. Wir finden es richtig gut, wenn die Gewalt gegen Luxusbauten und die Arschlöcher im Kiez auch noch medial transportiert wird. Es scheint uns an der Zeit, insbesondere bei diesem Thema, die Ebene der politischen Auseinandersetzung zu verlassen und darauf zu vertrauen, dass die Propaganda der Tat bei den vielen ankommt, die schon längst begriffen haben, wer hier der eigentliche Terrorist ist. Persönliche Erfahrungen am Engelbecken bestätigen die Unterstützung bei der alteingesessenen Kiezbevölkerung. Es muss klar sein, dass diese Sympathien in erster Linie dann gefährdet werden, wenn nicht bald eine größere Eskalation eintritt und ein klares Bekenntnis zur Bereitschaft zum „Counterterror“. In ein paar Jahren ist der Kreuzberger Kampf gegen den Staat allein schon deshalb verloren, weil autonomes Agieren angesichts der offensichtlichen Feinde im Kiez nicht mehr glaubhaft erscheint, wenn diese dadurch nicht angegriffen werden. Uns ist bewusst, dass hierfür in linken Kreisen kein Verständnis existiert. An diesem Punkt sehen wir uns aber näher an der Bevölkerung als die ganzen Post-Autonomen, die vielleicht demnächst merken, dass ihre Hausprojekte der Bewegung finanziell wesentlich besser dienen könnten, wenn sie sie auf dem Wohungsmarkt verscherbelt würden.
Autonome Gruppen die das anders sehen und sich auf ein Rennen mit dem Propagandareferat des Berliner Senats einlassen wollen, müssen dann aber auch um der Igel zu sein, der ruft „Ich bin schon da“, wesentlich größere Anstrengungen unternehmen als zur Zeit. Oder sie gehen diesem Rennen eben aus dem Weg.
Ganz unrecht haben diejenigen natürlich nicht, die mehr diskursive Interventionen fordern, solang dies nicht auf Kosten der Glaubwürdigkeit geht. Wie der Text „Mit Militanz Politik machen?“ erkennt, ist die Militanz in der Krise, weil nahezu alle verbliebenen Militanten sich auf Aktions-Militanz beschränken. Da sind wir jetzt gefragt vorhandene Lösungen auszubauen. Im Internet z.B. gibt es für klandestine genauso viele Möglichkeiten wie für offene Strukturen, und da sind wir auch nicht schlecht aufgestellt. Es gibt Plattformen wie Linksunten.indymedia.org und Blogs wie contrainfo.espiv.net oder urbanresistance.noblogs.org, die wirklich funktionstüchtig sind, denen einzig noch Bekanntheit und dadurch Relevanz fehlt. Auf der Straße aber sieht es derzeit relativ schlecht aus. Auf Plakaten oder Demos vernehmen wir nur selten konkrete Bekenntnisse zur Gesetzesübertretung und zu einer revolutionären Grundhaltung. Was sich in verklausulierten Phrasen ausdrückt repräsentiert die innere Haltung Vieler gegenüber dem eigentlichen Konflikt.
Die Umstände, die uns zur Zeit beschäftigen sind schon sehr lange unverändert, wie wir in der Untergrundzeitung Interim Nr. 354 nachlesen können. Im Dezember 1995, also vor rund 20 Jahren, wurde dort der Text „E.I.N.I.G.E. G.E.D.A.N.K.E.N. Z.U.M. K.O.M.I.T.E.E.K.O.N.Z.E.P.T. U.N.D. Z.U.R. S.I.T.U.A.T.I.O.N. L.I.N.K.S.R.A.D.I.K.A.L.E.R., M.I.L.I.T.A.N.T.E.R. G.R.U.P.P.E.N.“ von einem Zusammenhang ohne Namen veröffentlicht. Wir wollen einige Passagen zitieren:
„Militante linksradikale Politik ist in der Krise, wie die Linke insgesamt. Das alte Konzept vom Zusammenwirken von legaler Bewegung und militanten Aktionen geht nicht mehr auf. Den verbliebenen Rest von aktiven Gruppen, in welchen Teilbereichen auch immer, die militantes Vorgehen tatsächlich mitzutragen bereit sind, kann mann/frau kaum als soziale Bewegung bezeichnen. (…) Verallgemeinernd läßt sich trotzdem feststellen, daß die Zeiten, wo noch zurecht an die politische Wirksamkeit auch von eingeschlagenen Bankscheiben geglaubt werden konnte, einfach weil es massenhaft geschah, erstmal vorbei sind. Viele zweifeln am Sinn ihres Tuns oder tun nichts mehr. Auch die Organisationsdebatte scheint sich im Sande verlaufen zu haben und anstelle von Organisierung der linksradikalen Kräfte, wurde die Landschaft um weitere fraktionierende Gruppierungen bereichert. Das K.O.M.I.T.E.E. hat daraus für sich die Konsequenz gezogen, sich einen Namen zu geben und das Aktionsniveau hochzuschrauben, offenbar um somit als einzelne Gruppe an Einfluß zu gewinnen.“
(Kurze Anmerkung: Wir sehen hier eine Parallele zur „gruppo informale“, die dieses Jahr einige Schläge gegen den Bullenstaat durchgeführt hat. Wie damals das K.O.M.I.T.E.E. zeichnete sie sich durch ein abgehobenes Aktionsniveau aus und scheiterte offenbar an unglücklichen Umständen scheinbar ohne überhaupt eine Resonanz erzeugt zu haben.)
Weiter aus den Neunzigern:
„Es gibt im Moment sicherlich ganz verschiedene Wege, die Frauen und Männer einschlagen, die Orientierungspunkte in der Linken setzen und das weitere Abbröckeln aufhalten wollen. Wir gehen davon aus, daß die wenigsten davon sich zu einem ähnlichen Schritt wie das K.O.M.I.T.E.E. entschließen. Das hat bestimmt auch handfeste Gründe. Viele, die in Regionen mit größeren Scenen lebten, hatten vor Zeiten auf eine gewisse Arbeitsteilung vertraut. Solange genügend Männer und Frauen in öffentlichen Gruppen und auf Plenas radikale und auch militante Standpunkte vertraten oder mitbedachten, konnten sie sich anonymer und zeitintensiver ihren verdeckten Aktionsplanungen widmen. Trotzdem war es in großen Scenen, wie in Berlin auch möglich, solche Standpunkte zu vertreten, ohne danach die Bullen drauf zu haben. Diese Zeiten sind lange vorbei. Offen sympathisierende Diskussionen über militante Aktionen sind mehr oder weniger unvorstellbar geworden. Wer sich mit seinem Protest im Rahmen des gesetzlich Vorgegebenen bewegt, kann überall reden, wie es ihr/ihm beliebt. Am kürzeren Hebel sitzen die Positionen, für die sich keineR offen hinstellen kann. Wenn es doch eineR vorsichtig wagt, ist die Gefahr groß, daß unsolidarisch damit umgegangen und letztendlich mit dem Finger auf entsprechende Personen gezeigt wird. Viele Standpunkte drohen gänzlich aus dem öffentlichen Bereich zu verschwinden. Aber sie werden nicht nur nicht mehr ausgesprochen, sondern sie existieren zum großen Teil einfach nicht mehr in den Köpfen, können dementsprechend auch nicht mehr weitertransportiert werden.“Der Text ist sehr lesenswert, auch weil das Thema K.O.M.I.T.E.E. ja durch einen bösen Umstand wieder aktuell ist. Was insgesamt auffällt, ist, dass sich die Diskussion um militante Organisierung seit zwanzig Jahren nicht geändert hat und auch die beschriebenen Umstände heute sehr vertraut erscheinen. Wir halten es z.B. nach wie vor extrem wichtig, dass Menschen, die sich immer noch auf den Pfaden freiheitlicher und subversiver Ideen bewegen ohne in Anschlagsplanungen und dergleichen Aktionen aktiv zu sein, sich positiv auf die illegale Schiene beziehen. Es ist von unserer Seite her klar, dass es keine Hierarchie in den Aktionsformen gibt und ein paar gute Worte in einer depressiven Diskussionsrunde einfach Gold wert sind. Viel zu oft wird zugesehen, wie Bewegungsmanager*innen oder Resignierte andere Leute mit ins Verderben ziehen, einfach weil niemand der Lethargie widerspricht.
Die verbliebenen und ständig neu entstehenden autonomen Gruppen sind gefordert den theoretischen Stillstand zu überwinden und taktische Entscheidungen zu treffen um letztendlich doch irgendwann eine Strategie zu entwickeln. Darunter fallen banale wie auch schwerwiegende Aspekte:
– Erklärung zu einer Aktion veröffentlichen oder nicht?
– den Druck auf Firmen oder Parteien steigern durch wirklich langanhaltende Kampagnen oder
– Feuerwehrpolitik, auf jede aktuelle Entwicklung schnell reagieren?
– Spezialisierung, technische Weiterentwicklung und Abschottung oder
– Verbesserung der Koordination mit anderen Gruppen zur Entwicklung von Massenkonzepten?Diese Punkte sind seit Jahren diskutiert worden ohne das hier daraus Konsequenzen entstanden sind, die aktuellste Diskussion zur ersten Frage findet ihr hier
Wir sind trotz allen Jammerns davon überzeugt, dass es noch motivierte und charismatische Anteile in den hiesigen Kämpfen gibt. Nicht umsonst sind trotz zwanzig Jahren ohne große Änderungen immer noch Leute Nachts da draußen unterwegs oder Menschen auf Demos am Agitieren und Steineschmeißen.
Was ist Kreuzberg
Zum eben erschienenen Text „Debattenbeitrag“ von „Ein autonomer Zusammenhang aus Berlin“ von Ende Oktober 2014 wollen wir noch etwas sagen. Wir teilen nicht die Einschätzung zur Rolle der Grünen Partei bei der Ohlauer Eskalation. Es wird behauptet, dass der Räumungsversuch so lange dauerte, weil die Grünen „ganz zwischen ihrer Klientel-Politik und den „Zwängen“ der Bezirkspolitik zerrissen waren“. Wir denken zwar auch, dass die Ereignisse in jedem anderen Bezirk viel schrecklicher gewesen wären, sehen aber in Kreuzberg ein bisschen mehr als einen grün regierten Bezirk. Gerade nach den zwei Jahren Oranienplatz gab es eine tiefe Verbundenheit des Stadtteils mit den Kämpfen der Refugees. Das liegt unter anderem daran, dass auch organisierte Menschen, die in Friedrichshain, Neukölln oder sonstwo wohnen, Kreuzberg als ihr Territorium sehen. Bei allen anderen Bezirken ist das so nicht gegeben. Permanente Demos, Spontis, Actions, Sprüh- und Plakataktionen, der Konflikt im Görli, damals noch die Cuvrybrache sowie Jugendliche, die es feiern, wenn Bullen alle paar Wochen mit Steinen beworfen werden haben – zum Glück – Spuren bei Kreuzberger*Innen als auch bei der „Szene“ hinterlassen. Mensch mag es nicht glauben, aber es werden immer noch Hoffnungen in diese Gegend gesteckt. Darum waren auch alle bei der Ohlauer, darum gibt es im Görli trotz jahrelanger und fast mitleiderregender (aktuell: mörderischer) Bemühungen der Staatsmacht immer noch Drogen, Abzieher, Steinewerfer, Hippies, Hunde und Ratten. Darum ist es auch möglich, hier Bullen in Hinterhalte zu locken und neue Eigentümer zu terrorisieren.Weitere Aussichten
Auf die Frage im Text „Debattenbeitrag“ nach einem gemeinsamen solidarischen Kampf auf Augenhöhe mit Refugees fällt uns eigentlich nur der Aufbau einer Untergrundorganisation ein. Nur so könnte das „Bleiberecht“ durchgesetzt und für das Überleben aller gesorgt werden.Als realistischere Möglichkeit der nahen Zukunft würden wir gerne die Idee unterstützen, zum 10. Jahrestag der Morde an Oury Jalloh und Laye Alama Conde zu mobilisieren. Zwar finden wir das Konzept, zu unangemeldeten und militanten Demos zu mobilisieren sehr erfolgreich, in diesem Fall jedoch dürfte die Zeit zu knapp werden. Als grob umrissene Zielvorgabe halten wir es für sinnvoll, unabhängig von nicht selbstauferlegten Eskalationen gegen die Bullengewalt zu mobilisieren. Also trotz dem ganzen Räumungs- und Abschiebemarathon auf eigenen Akzente zu setzen. Zu Oury Jalloh wurde die letzten zehn Jahre permanent etwas gemacht. Dabei gab es Höhen und Tiefen militanter Intervention in die sehr bürgerrechtlich geprägte Auseinandersetzung. Da der Rechtsweg seit diesem Jahr restlos ausgeschöpft ist und dort kein Erfolg erzielt wurde, wären neue Brüche mit diesem Staat die logische Konsequenz und es wäre erfreulich, dem eine Ausdrucksform zu geben.
Wir kritisieren an dieser Stelle die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh, die Gerüchten zu folge vor den europäischen Menschenrechts-Gerichtshof ziehen will. Es mangelt uns an jeglichem Verständnis, was das jetzt noch bringen soll. Der Beweis ist seit dem Brandgutachten zu 100 Prozent erbracht, dass Oury Jalloh ermordet wurde. Was bringt uns eine weitere rassistische Instanz, die die ganze Sache über weitere Jahre ins Nirvana verschleppt und im besten und unwahrscheinlichsten Fall eine Rüge oder ähnliches gegen die BRD nach sich zieht?
Bei der Demo zum 10. Todestag von Carlo Giuliani wurde als positiv bewertet, dass die Presse nochmal über die Ereignisse in Genua berichten musste. Das wäre als niedrigschwellige Zielvorgabe für uns wieder vorstellbar und mit einem dezentralen Konzept umsetzbar. Wie wäre es mit einer Aktionswoche vor dem 7. Januar, in der überall öffentlichkeitswirksame Aktionen auf einander Bezug nehmen, egal ob friedlich oder militant? Dabei können wir versuchen, den immer noch existenten Diskurs um die Frage nach Mord oder Selbstmord zu beenden und durch eigene Fragestellungen ersetzen.
Wie müssen wir als Menschen mit Staat und Gesellschaft umgehen, die aus rassistischer Motivation misshandeln und töten? Wie können wir so stark werden, dass wir zur Gefahr für NSU, VS, BND & Co. werden?