Bewertung und Fragen aus autonomer/militanter Sicht und Wie mit der Repression umgehen?
Wie ist der Tag für die einzelnen Akteur_innen gelaufen und was lässt sich daraus schließen? Wie können die Ereignisse sowie Strategien und Mittel zukünftiger antifaschistischer Kämpfe diskutiert und dabei die angekündigte Repression gegen Militante solidarisch abgewehrt werden? Debatten – ja, aber keine Ermittlungshilfe Aufräumen ist voll angesagt – Schmeiß die alten Klamotten raus!
Am 15.11.2014 versammelten sich, im Rahmen der zweiten, groß mobilisierten Veranstaltung von „Hooligans gegen Salafisten (Hogesa)“ ca. 3.000 Hooligans und Nazis in Hannover.
6.600 Bullen und ungefähr ebenso viele antifaschistische Gegendemonstrant_innen, machten ihnen das Leben schwer. Nachdem die Bullen mit einem Komplettverbot gescheitert waren, durften die Hogesa-Anhänger_innen, umstellt von tausenden Bullen mit schwerem Gerät, auf dem Zentralen Omnibus Bahnhof (ZOB) demonstrieren. Die Offiziellen der Stadt, ca 1.000 gute Bürger_innen und einige Politprominenz begnügten sich mal wieder damit, abseits der Hogesa-Kundgebung, Reden zu schwingen und Musik zu lauschen. Dagegen trug die große linke Demo ihren Widerspruch zu Rassismus und religiösem Fundamentalismus zur Hogesa-Kundgebung. Lautstark und entschlossen näherten sich mehrere tausend Leute bis auf 200 m und störten die Hogesa-Kundgebung erheblich.
Während dessen und im Anschluss kam es darüber hinaus zu einigen militanten Angriffen auf Hooligans und Nazis im Stadtgebiet und auf der Abreise. Nun fahnden die Bullen u.a. mit dem Vorwurf der versuchten Tötung nach militanten Antifaschist_innen.
Wie ist der Tag für die einzelnen Akteur_innen gelaufen und was lässt sich daraus schließen?
Wie können die Ereignisse sowie Strategien und Mittel zukünftiger antifaschistischer Kämpfe diskutiert und dabei die angekündigte Repression gegen tatsächliche und vermeintliche Militante solidarisch abgewehrt werden?
Für Hogesa wars kein guter Tag
Das lag vor allem an der Strategie der Bullen. Schon im Vorfeld wurde die Teilnahme für viele unattraktiv als sich, im Gegensatz zur Demo in Köln, ein komplett kontrollierter Rahmen abzeichnete. Die dreitausend, die trotzdem kamen, wurden einzeln durchsucht, jede_r dreißigste musste Ordner_in sein und einen Alkoholtest machen. Der ZOB war umstellt von tausenden Bullen mit Wasserwerfern, Räumpanzern, Hunde- und Pferdestaffel. Die anliegende Geschäfte waren verrammelt und Alkohol und live Musik verboten. Alles in allem wurde eine Situation geschaffen, in der sich wohl niemand wohl gefühlt hätte. Die „bürgerlichen Rechten“ von PI-News bis „Hannoveraner“ (HAZ 18.11.2014 Hooligan-Demonstration Rat empört über „Hannoveraner“) können jetzt so tun als ob die von den Bullen erzwungene Ruhe, ein Beweis für die Friedfertigkeit von Hogesa sei. Die Nazikader können es ertragen, wenn es dem Erfolg der nationalen Sache dient. Aber für die erlebnisorientierte und gewaltsuchende Hoolfraktion ist das nur frustrierend.
Hogesa, als heterogenes Bündnis unterschiedlicher rechter Strömungen, steht damit vor einem Problem. Auf der einen Seite drohen staatliche Verbote, auf der anderen das Wegbrechen des Mobilisierungspotentials. Es wurde angekündigt schon bald im Osten Deutschlands einen neuen Anlauf zu wagen, trotzdem hat die Frage, wie konfrontativ in Zukunft aufgetretenen werden kann und soll, einige Sprengkraft. So versucht ein Teil von Hogesa sich als Bürgerbewegung zu inszenieren. Das Gejammer über die schlimme Antifagewalt gegen friedliebende Hooligans, in den Medien ( HAZ 17.11.2014 Hooligan-Demo: Autonome überfallen Citykneipe Larifari und HAZ 18.11.2014 Brutaler Angriff nach HoGeSa-Demo und HAZ 19.11.2014: Bielefelder Hooligan liegt weiter in Klinik) und ihren online Netzwerken, ist an Absurdität kaum noch zu überbieten. Aber es passt auch zum Weltbild der meisten rechten Akteur_innen, sich immer als Opfer zu sehen. Der Teil der Bewegung, der gerne Gewalt ausübt aber nicht so gerne Opfer von ihr ist, schwört dagegen Rache und ruft dazu auf am 6. Dezember die linke Demo gegen die Innenminister_innen Konferenz (IMK) in Köln anzugreifen. Die Unterschiedlichkeit der Weltbilder und Zielvorstellungen, der an Hogesa beteiligten Akteur_innen war schon im Vorhinein klar. Letztendlich drückt er sich schon in der Wahl des Labels aus. Auf der einen Seite wird, mit der Selbstbezeichnung „Hooligans…“, versucht ein Spektrum anzusprechen, das bisher kaum für Naziaufmärsche zu begeistern war. Hogesa ist also ein Versuch ein gewaltaffines, rassistisches aber tendenziell politikfeindliches Spektrum zu bündeln, um die Straße zu dominieren. Da die klassischen großen Nazi-Aufmärsche, wie in Dresden, immer seltener erfolgreich sind, werden neue Wege gesucht identitätsstiftende Massenereignisse zu etablieren. Auf der anderen Seite wird mit dem zweiten Teil des Labels „…gegen Salafisten“ versucht, rassistische Bürgerbewegungen einzubinden und auch die Mitte der Gesellschaft anzusprechen. Dazu dient die Fokussierung auf „Salafisten“, sie soll verschleiern, dass es wie eh und je gegen alles Nicht-Deutsche geht. Hogesa versucht also schon mit der Wahl des Labels unterschiedliche Spektren zu vereinen. Das war von Anfang an ein Spagat, weil zu groß zur Schau gestellte Gewaltbereitschaft den bürgerlichen Teil verschreckt, während zu groß zur Schau gestellter Legalismus die Hoolfraktion vergrault.
Auch wenn die Kundgebung in Hannover ein Rückschlag für Hogesa war und nun zu Streit über die zukünftige Ausrichtung führt, ist die weitere Entwicklung noch offen. Die militante antifaschistische Gegenwehr kann diesen Spaltimpuls verstärken. Sie kann aber auch dazu führen, dass mit „der Antifa“ ein gemeinsames Feindbild entsteht, dass den inneren Zusammenhalt stärkt. Und eine gewalttätige Eskalation auf der Straße ist nichts was Nazis und Hooligans verschreckt, im Gegenteil. Unabhängig davon ob unter dem Label Hogesa weiter erfolgreich mobilisiert werden kann oder Hannover der Anfang vom Ende dieses Versuchs war, werden die Leute und ihr Gedankengut nicht verschwinden. Für uns heißt das, dass die Wahl der Mittel und der Grad der Militanz immer wieder situativ angepasst werden müssen. Doch dazu später mehr.
Für die Bullen wars ein guter Tag
Hogesa in Köln war für die Bullen ein Desaster. Nach der öffentlichen und medialen Kritik musste bewiesen werden, dass der Staat das Heft in der Hand hat. Das heißt vor Allem, dass er Willens und in der Lage ist, das Gewaltmonopol wieder herzustellen. Das erklärt auch weshalb die Bullenführung nach der Hogesa-Kundgebung in Hannover sagt „Wir sind sehr zufrieden und ziehen eine durchweg positive Zwischenbilanz“ (Polizeipräsident Volker Kluwe HAZ 17.11. 6600 Polizisten verhindern Krawalle). Dies ging sogar soweit, dass zunächst auf Rückfrage von Journalist_innen abgestritten wurde, dass es schwer verletzte Nazis und Hools gegeben hat.
Nun einige Tage später, gerät die Polizei etwas in Bedrängnis, weil youtube und die Presse zeigen, dass die Situation in Hannovers Innenstadt nicht so friedlich und kontrolliert war, wie behauptet. Dies wird allerdings nicht zu einem ernsthaften Problem für die Bullen werden, denn die Verschiebung des Fokus eröffnet die Möglichkeit eine neue Runde, der alten Leier vom Extremismus der gewaltbereiten Randgruppen, aufzulegen. Der Diskurs wird wieder so laufen: Unterschiedliche Extremist_innen schaukeln sich in ihrer Gewaltbereitschaft auf, der demokratische Rechtsstaat muss unterschiedslos Stärke zeigen und hart durchgreifen.
So zeigen die „Gefährderansprachen“, die Antifaschist_innen aus unterschiedlichen Städten im Vorfeld davon abhalten sollten nach Hannover zu fahren (HAZ 19.11.2014: Vor Hooligan-Kundgebung ver.di: Polizei schüchterte Demobesucher ein) und nun die schweren Tatvorwürfe, dass linke Militanz als mindestens ebenso große Bedrohung für die Aufrechterhaltung des Gewaltmonopols gesehen wird.
Am 15.11. lag der Schwerpunkt der Bullen darauf, Hogesa im Griff zu haben; dies hat funktioniert. Gleichzeitig hat es an diesem Tag auch geholfen, dass das Kräfteverhältnis auf der Straße eindeutig zu Gunsten antifaschistischer Gruppen ausfiel. Doch es war auch eine gelungene Übung in Sachen Aushöhlung des Demonstrationsrechts und Aufstandsbekämpfung. Wenn Bullen und Gerichte derart repressiv vorgehen können, ist das kein Grund zur Freude. Denn es ist nur eine Frage der Zeit wann die gesellschaftliche Stimmung es hergibt ähnliche Auflagen und Mittel auch gegen Linke anzuwenden. Letztendlich ist das genauso zu bewerten wie das Verbot der Nazigruppe „Besseres Hannover“, vor ca. 2 Jahren. Einerseits schränkt der Staat die Bewegungsfreiheit der Nazis ein, was uns kurzfristig helfen kann, andererseits werden Mittel ausgetestet, deren Etablierung auch emanzipatorische Bewegungen langfristig hart treffen können. § 129-Verfahren wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung und Organisationsverbote für Propagandadelikte (Besseres Hannover) und Kundgebungen, die derart kontrolliert sind, dass sie mit Demonstrationsfreiheit nichts mehr zu tun haben (Hogesa), sind nicht zu begrüßen. Denn schon bald wird ähnliches gegen andere, die das Gewaltmonopol des Staates in Frage stellen, angewendet werden. Die harten Tatvorwürfe (Versuchte Tötung) und die anfangende mediale Hetze gegen antifaschistische Militante, bereitet den Weg dafür. Auch haben die Bullen nun Mittel und Vorwand in der Hand um effektiv den Versuch zu starten antifaschistische Zusammenhänge auszuforschen, zu kriminalisieren und zu spalten.
Und für uns? Was bedeutet der Tag für autonome Militante
Die Demo war inhaltlich und praktisch super. Gute Wahl des Mottos, erfolgreiche Zusammenarbeit unterschiedlicher Spektren, viele Menschen und ein entschlossener und tatsächlich störender Ausdruck – mehr kann man von einer Demo nicht erwarten. Darüber hinaus war die Innenstadt so von antifaschistischen Militanten dominiert, dass sie zu No-Go-Area für Nazis wurde. Das alles ist erfreulich und hat erheblich dazu beigetragen, dass es für die Hogesa-Anhänger_innen keine Möglichkeit gab ihre rassistischen Gewaltgelüste auszuleben. Stattdessen waren sie die Gejagten.
Der Tag hätte also kaum besser laufen können, das heißt aber nicht viel für die zukünftigen Auseinandersetzungen. Denn einerseits ist dieses Kräfteverhältnis so gewesen, weil die Bullen die meisten Hogesa-Anhänger_innen auf dem ZOB gefangen hielten und andererseits ist Hogesa nur ein reaktionärer Ausdruck von vielen. Wenn Hogesa an inneren Widersprüchen, die durch den Druck der Bullen und antifaschistischer Gegenwehr verstärkt werden, auseinander brechen sollte, wäre dies erfreulich. Viel gewonnen hätten wir aber nicht. Denn die Leute verschwinden wie gesagt ebenso wenig wie das gesellschaftlich Klima, das sie hervorbringt. Hogesa, „Bürgerbewegungen“ gegen Moscheen, Asylunterkünfte und Roma, AFD bei 10%, Salafisten, Christliche Fundis gegen Homosexuelle, NSU, staatlicher Rassismus usw. An allen Ecken und Enden wird das Klima rauer und unterschiedliche reaktionäre Strömungen drängen mit ihren rassistischen, homophoben und antisemitischen Weltbildern in die Öffentlichkeit und auf die Straße.
Es ist höchste Zeit zu debattieren wie dem entgegengetreten werden kann und trotz der ständigen Notwendigkeit sich mit diesen reaktionären Strömungen auseinanderzusetzen, auch eigene emanzipatorische Ziele nicht aus den Augen verloren werden.
Welches Mittel und welche Stufe der Eskalation ist gegen welche Gruppe effektiv und durchhaltbar? Wie kann sowohl eine Stärke und Verteidigungsfähigkeit ausgebaut, als auch eine Militarisierung von Straßenauseinandersetzung verhindert werden? Wann muss wer mit aller Härte auf der Straße zurückgeschlagen werden und wann sind Mittel, wie das in die Öffentlichkeit zerren durch Outings oder Hausbesuche o.ä., effektiver? Wann ist es gut Stärke zu zeigen aber auch zu signalisieren, dass eine Eskalation nicht immer weiter fortgesetzt werden muss? Welche Gruppen können eingeschüchtert, gespalten und von der Straße gedrängt werden, welche werden die Eskalation begrüßen und müssen mit anderen Mitteln bekämpft werden? Welche Gruppen wollen gar nicht in die Öffentlichkeit und auf die Straße, sondern agieren aus Amtszimmern und dem Untergrund? Wie treten wir all diesen Gruppen entgegen? Wie sorgen wir dafür, dass wir nicht nur noch damit beschäftigt sind?
Viele notwendige Fragen, deren Beantwortung für uns selber wichtig ist. Denn rein militärisch werden wir die Vielzahl der Gegner_innen, die zum Großteil weit weniger Probleme, als wir, mit dem Ausüben massiver Gewalt haben, nicht besiegen. Falls wir es trotzdem versuchen sollten, würde dies dazu führen, dass emanziaptorische Ansprüche entlang vermeintlich militärischer Notwendigkeiten zurückgestellt werden. Nur dieser Logik zu folgen, führt zwangsläufig zu mehr Mackertum und weniger Emanzipation.
Autonome Gruppe – das Salz in der Suppe
Der vorherige Absatz ist aber keineswegs eine Distanzierung von den Angriffen auf Hools und Nazis am 15.11. Auch dass einige Grüppchen mit Angriffen auf Bullen bzw. ihre Fahrzeuge praktisch klar gemacht haben, dass wir gegen mehr als Hogesa kämpfen ist erfreulich. Denn es ist völlig klar, dass nur eine heterogene, starke, handlungsfähige und militante Bewegung die gesellschaftlichen Zustände in eine emanzipatorische Richtung wenden kann. Deshalb geht es nicht vorrangig darum ob das was wir tun vermittelbar ist oder nicht. Linke militante Positionen sind nicht mehrheitsfähig und können auch nicht darauf spekulieren, es bald zu werden. Es geht also unabhängig von der öffentlichen Meinung(-smache) darum für uns selbst zu beantworten, was uns unseren Zielen näher bringt. Auch hat sich erneut gezeigt, dass autonome/militante Bezugsgruppen dabei ein entscheidender Faktor sind. Die Aktivitäten gegen Hogesa und auch schon, einen guten Monat vorher, die Proteste gegen die Einheitsfeierlichkeiten haben gezeigt, dass Bündnisse und die großen linken/linksradikalen Organisierungen (Ums Ganze und Interventionistische Linke IL) in der Lage sind zu mobilisieren und einen Rahmen zu stellen, der Lücken für mehr aufmacht. Auch wenn beide Ereignisse sehr unterschiedlich waren, haben sie doch beide gezeigt, dass Hannovers Innenstadt für die Bullen bei Großereignissen schwer zu kontrollieren ist. Anderswo ist das ähnlich. Wie offensiv das genutzt wird, hängt letztendlich davon ab wie viele gut vorbereitete Bezugsgruppen unterwegs sind.
Auch diese Erfahrungen bieten viel Raum für Reflexion und Diskussion.
Aber wie Diskutieren und wie mit der Repression umgehen:
Debatten – ja, aber keine Ermittlungshilfe
Der Ermittlungsausschuss (EA) und die Rote Hilfe Gruppe aus Hamburg haben gerade „Zum Spannungsfeld zwischen dem Schweigen zu Tatvorwürfen und der kritischen Auseinandersetzung mit Positionen und Aktionen“ einen Text veröffentlicht. Er bezieht sich auf Ermittlungen zur militanten Verteidigung eines besetzten Hauses in der Breite Straße in Hamburg. Dort wird u.a. wegen versuchtem Totschlag ermittelt. Der Text wird hier an den Hannoveraner Kontext angepasst wiedergegeben. Das Original findet ihr beim EA Hamburg.
Wir gehen nicht unter in den Kämpfen, die wir führen, sondern in denen den wir uns nicht stellen. Ähnliches könnte für Debatten um konkrete politische Aktionen gelten. Doch wie über Vorfälle sprechen, sich positionieren, wenn Schweigen das Gebot der Stunde ist? Die vehemente Aufforderung, konsequent die Aussage zu verweigern, steht immer wieder in der Kritik, Debatten zu verhindern, Maulkörbe zu verpassen und schweigender Vereinzelung Vorschub zu leisten.
Warum Schweigen?
Dicht halten bedeutet, nicht über die Geschehnisse des Tages zu sprechen – egal in welchem Kontext und in welcher Situation. Bei dieser Aufforderung geht es uns darum, von Ermittlungen Betroffene weitgehend zu schützen und den Ermittlungsbehörden ihre Arbeit so schwer wie möglich zu machen. Es ist nicht abschätzbar, wie breit ermittelt wird, welche Gesprächsinhalte für Cops von Interesse sind und wer alles noch zum Ziel von Ermittlungen werden könnte. Schweigen ist daher das einzig schlagkräftige Mittel, den Ermittlungstaktiken der Polizei etwas entgegenzusetzen.
Mediale „Wahrheiten“ als Unterstützung der Repressionsorgane
Um die Anforderung dicht zu halten erfüllen zu können, ist ein kritischer Umgang mit vermeintlichen Informationen notwendig. Über eigene Eindrücke, die Berichterstattung der Medien und eingestellte Videos bei youtube meint mensch, ein genaues Bild der Geschehnisse zu haben. All dies zum jetzigen Zeitpunkt als Grundlage für Auseinandersetzungen zu nehmen birgt Gefahren. Ermittlungsbehörden nehmen jegliche Äußerung – dazu können auch Spekulationen gehören – um Vermutungen zu untermauern und gegen Beschuldigte zu verwenden. Wer im Fokus der Überwachung steht, ist dabei völlig unklar. Es kann jede_n treffen, auch ohne, dass die Person dies selber mitbekommt.
Auch Sachverhalte, die durch Medien verbreitet werden und damit als öffentlich zugängliche und abgesicherte Informationen gelten, erfordern einen vorsichtigen Umgang. So zeigt beispielsweise die Berichterstattung über einen angeblichen Angriff auf die Davidwache am 28.12.2013 deutlich, wie durch gezielte mediale Desinformation politische Stimmungsmache betrieben wird. Darüber hinaus erfahren Maßnahmen der Repressionsorgane dadurch öffentliche Unterstützung, aber auch innerlinke Debatten über Verhältnismäßig- und Sinnhaftigkeit von Mitteln werden angestoßen. (vgl. Presseerklärung Beuth). Sowohl durch Ermittlungen als auch durch Medien werden „Wahrheiten“ produziert, die faktisch zu hinterfragen und politisch abzulehnen sind.
Debatten – ja, aber keine Ermittlungshilfe
Sicherlich bietet die Ereignisse um die Hogesa-Kundgebung jede Menge Anlass für Auseinandersetzungen über die Legitimität und Sinnhaftigkeit von militanten Mitteln, Vorbereitung und Durchführung von Aktionen. Solche Auseinandersetzungen sind aus unserer Perspektive nicht nur wünschenswert, sondern auch notwendig. Debatten tragen zur politischen Handlungsfähigkeit bei und können diese mit Inhalten unterfüttern. Bereits gelaufene Aktionen bieten Möglichkeiten kritischer Reflexion und Anlass auf deren Basis die eigene Praxis zu überprüfen.
Zu bedenken sind dabei der Zeitpunkt, der Grad der Öffentlichkeit und die konkreten Inhalte. In Bezug auf die Auseinandersetzungen um die militante antifaschistische Gegenwehr gegen Hogesa bedeutet dies, kritische Debatten entweder nicht während der laufenden Verfahren zu führen, oder von den konkreten Ereignissen loszulösen. Das heißt, auch in als sicher empfundenen Zusammenhängen, keine Mutmaßungen über Wahrheitsgehalt von Presseberichten, Verdächtige, Tatvorwürfe und vermeintlichen Fakten anzustellen. Dies gilt auch für die Nutzung sozialer Medien wie Facebook und Twitter. Diese bieten zwar die Möglichkeit, auf einfachem Wege viele Menschen schnell zu erreichen. Bei der Nutzung muss mensch sich aber darüber im Klaren sein, dass hiermit Verbreitungswege aus der Hand gegeben und leicht abrufbare Informationen über Zusammenhänge und Verbindungen erzeugt werden. Informationen bleiben unwiderruflich im Internet erhalten und werden in der Ermittlung von Cops genutzt. (zur Kritik an Facebook und Co)
Lasst uns reden – über die Notwendigkeit militanten Antifaschismus und Solidaritätsarbeit
Bei aller Aufforderung und Notwendigkeit, dicht zu halten, geht es nicht darum, in Passivität und Sprachlosigkeit zu verfallen. Stattdessen ist es wichtig und notwendig, sich klar zu positionieren und kritisch solidarisch zu verhalten.
Repression, die – wie im aktuellen Fall – durch harte Tatvorwürfe militanten Antifaschismus als politische Praxis kriminalisiert, stellt den Versuch dar, diesem die Legitimation und Solidarität zu entziehen. Dem gilt es entschlossen entgegenzutreten und dies deutlich wahrnehmbar zu äußern. Hierbei geht es darum, bürgerlichen Medien und Repressionsorganen nicht die alleinige Deutungshoheit zu überlassen.
In rechtsstaatlicher Logik stellt Repression die Antwort auf Versuche, bestehende Verhältnisse anzugreifen, dar. Dem wollen wir uns entgegenstellen, indem wir politische Praxis verteidigen und Repression angreifen. Es geht dabei nicht um individuelle Handlungen Einzelner, sondern darum, die Notwendigkeit des militanten antifaschistischen und antirassistischen Selbstschutzes zu thematisieren. Aus unserer Sicht sollte die Auseinandersetzung um Repression sich nicht auf Schuld- oder Unschuldsvermutungen stützen, da strafrechtliche Kategorien kein geeigneter Maßstab für politische Auseinandersetzungen sind. Vielmehr geht es uns darum, Knast und andere Repressionsmittel als illegitim zu verurteilen und anzugreifen.
Aufräumen ist voll angesagt – youtube ist voll scheiße
Also viele Fragen und einiges an Diskussionsbedarf. Dieser Text ist recht eilig geschrieben, weil die Härte der Vorwürfe eine schnelle Reaktion nötig machen. Hoffentlich kann er trotzdem dazu beitragen die Folgen der Auseinandersetzungen um Hogesa zu Gunsten einer kritisch, solidarischen militanten Reflexion zu verschieben. Bevor ihr euch in die Debatte vertieft, räumt doch noch mal zu hause auf. Es gibt leider sehr viele Videoaufnahmen und Zeug_innen die militante Antifaschist_innen belasten. Auch ist davon auszugehen, dass die Bullen im Rahmen ihrer Ermittlungen Funkzellen abfragen, Telefone und soziale Netzwerke überwachen und Hausdurchsuchungen und Observationen durchführen. Also Klamotten, Werkzeuge, Handys, die nicht sowieso namentlich zugeordnet sind u.ä. Sachen die an dem Tag mitgeführt wurden, gehören entsorgt. Ansonsten haben EA und Rote Hilfe Hamburg alles wesentliche geschrieben.
Für militante Debatte und Praxis – gegen Heldentum, Macker und Spekulationen!
Passt auf euch auf!
(Quelle: linksunten.indymedia.org)