Konfliktparteien in Kreuzberg

Während der letzten Jahre sind in den Kreuzberger Kiezen zwischen Oranienplatz, Cuvrybrache und Görlitzer Park unzählige Gruppen, Initiativen, Organisationen, Behörden und Einzelpersonen aktiv geworden, um ihre jeweiligen Vorstellungen bezüglich den Flüchtlingen und der Nutzung des urbanen Raums zu entwickeln. Neben vielen Menschen, die sich solidarisch positionierten, beteiligte sich auch der Staat mit diversen Handlangern an den Konflikten. Diese wollen wir hier vorstellen.

Jugendeinrichtungen
Im Jugendhaus CHIP in der Reichenberger Str. 44/45 werden Henkels kleine Helfer ausgebildet, Kinder und Jugendliche, die am 1.Mai auf dem Myfest als Puffermasse zwischen Polizei und RandaliererInnen eingesetzt werden.
Als während der Besetzung der GHS in der Ohlauer Straße ein Nutzungskonzept für das dortige Irving-Zola-Haus erarbeitet wurde, bemühte sich auch CHIP um eine Teilnahme an dem Projekt. Bei einer Umsetzung des Plans wäre es dem Bezirk gelungen, die Ausbildung von Kindern durch Polizei mit einem besetzten Objekt zu verbinden.
CHIP ist Partner des BWK (BildungsWerk in Kreuzberg) und des Quartiersmanagment Wrangelkiez.

Dem BWK werden Jugendliche mit Migrationshintergrund zugeführt, um sie in Berufsvorbereitungen zum Polizeidienst unterzubringen.

In der Jugendeinrichtung Kreuzer im Görlitzer Park finden Treffen der „Anwohnerinitiative Görlitzer Park“ statt.

Parastaatliche Einrichtungen
Das Quartiersmanagment Wrangelkiez fungiert als Schnittstelle zwischen Behörden, Unternehmen und willigen AktivbürgerInnen. Neben den Treffen sogenannter Präventionsräte werden auch Klettertouren mit Bullen angeboten und die Initiative der Polizei Stopp Tokkat in Kreuzberger Schulen und Sportvereinen beworben.

Das Quartiersmanagement Mariannenplatz betreibt eine Kooperationsrunde mit der degewo und der Polizei , die zu einer Bestreifung der Wohnanlagen zwischen Mariannenplatz und Naunynstrasse duch private Sicherheitsdienste führt.
In der Jugendeinrichtung „Naunynritze“, früher Treffpunkt von Gangs und Antifas, finden jetzt Veranstaltungen der Bullen statt. Mit aus der Szene gekauften Sozialarbeitern ist dieser Ort zu einer Schnittstelle zwischen Bullen, Jugendlichen und Myfest Ordnern verkommen.

Entwicklungen in diese Richtung wurden durch Medienhetze gegen migrantische Jugendliche vorbereitet.

Die Anwohnerinitiative Görlitzer Park
besteht aus Geschäftsleuten, wie z.b. den BetreiberInnen des Edelweiss und weisst personelle Überschneidungen zur Initiative Unser Görli auf, einer Tarnorganisation des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg. Beide Initiativen betreiben intensive Medienhetze gegen Dealer, die in ihren Augen aus Afrika gekommen sind um die Bevölkerung Kreuzbergs aus dem Görli zu verdrängen. Sprecher von Unser Görli ist Andreas Teuchert, hier bei einem BZ Interview vor dem Edelweiss.

Gewerbe
„Liesert’s Falckensteiner“ , eine Kneipe im Wrangelkiez hat allen schwarzen Menschen Hausverbot erteilt, weil diese Dealer sein.

Das Edelweiss im Görlitzer Park bezeiligte sich 2011 an einer Kampagne gegen Sinti und Roma, die damals in dem Park lebten.

Die Firma Ritter – Finest Real Estate betreibt die Räumung der Cuvrybrache.

Die Sicherheitsfirma Shelter bewachte auf Wunsch des Beziksamts die GHS in der Ohlauer Straße. Mehrfach riefen Shelter Leute die Bullen wegen Diebstählen oder Streitigkeiten, die Flüchtlinge aus der Schule begangen hätten. Shelter ist auch Teil vom Myfest.

Nach der Teilräumung bewacht die Firma Securitas die GHS.
Besonders Nachts zeigen die Securitas Streifen inzwischen starke Präsenz in Kreuzberg weil sie dort zahlreiche Objekte bewachen.

Parteien
Der CDU Abgeordnete Kurt Wansner bediente sich seiner üblichen Methoden und verteilte Flugblätter, in denen er Flüchtlinge mit Ratten gleichsetzte am Oranienplatz, dort sammelte er auch Unterschriften gegen das Camp.

Der Abgeornete

Hakan Taş (LINKE) gibt der Hoffnung Ausdruck, dass in Berlin keine Radikalisierung mit Hinblick auf Hamburg stattfinde. Dazu trage auch bei, wenn die Gespräche mit den Flüchtlingen am Oranienplatz unterstützt würden. Wie bewerte die sog. militante Szene diese Gespräche?“

(Ausschuss für Verfassungsschutz, Sitzung am 12.02.2014, wegen der Ausschreitungen in Hamburg )
Hakan Taş versucht bei allen Konflikten mit Flüchtlingen deren Vertrauen zu gewinnen um sie auszuforschen und zu verarschen. Als Freund und Helfer der Polizei ist er ein absoluter Feind jeder Entwicklung, die sich für die Freiheit der Flüchtlinge einsetzt. Bei der Demonstration am 5.Juli, die von der TOP unter dem Motto „Scheiss Bullen-Scheiss Senat-Scheiss Grüne“ angemeldet wurde, lief Hakan Taş hinter dem Fronttranspi mit.

Die Grünen stellen in Kreuzberg die Bürgermeisterin und vertreten harte Law and Order Positionen. Monika Herrmann wünscht sich Polizisten an jedem Eingang zum Görlitzer Park und Container für Roma , und der ehemalige Hausbesetzer Hans Panhoff geht in seiner Rolle vom typisch Grünen Seitenwechsler als Räumungsspezialist auf.

Die SPD war besonders mit Integrationssenatorin Dilek Kolat vertreten, deren gemeinsam mit den Grünen betriebene Spaltung der Flüchtlinge auf dem Oranienplatz eine Meisterleistung der Aufstandsbekämpfung war. Selbstverständlich werden die Vereinbarungen mit den Flüchtlingen vom Senat nicht eingehalten.

Behörden
Die Motive des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg bei den Konflikten in Kreuzberg können stellvertretend für die meisten Akteure gelten. Der Vorwurf des Rassismus, wie er in vielen Texten gegen die Verantwortlichen geäussert wird, greift zu kurz. Bis auf die Polizei, die zwar um Jugendliche mit Migrationshintergrund wirbt, diese aber bestenfalls als Harkis betrachtet und dem üblichen Prozentsatz an RassistInnen in der Bevölkerung, sind die Motive für den Kampf gegen Flüchtlinge und Randgruppen im Görli und auf der Cuvrybrache vielschichtiger.
Den Beteiligten geht es vor allem um Raum und um die Hegemonie in diesem Raum. Kreuzberg ist für diese Konfliktparteien eine Zone um Geld zu erwirtschaften, um die Vorstellungen vom individuellen Glück als Angehörige einer gut situierten Schicht auszuleben und um diesem Raum die entsprechenden Moral- und Ordnungsvorstellungen aufzuzwingen; das alles zur Stärkung des Metropolenstatus Berlin.
Diese Leute wollen in sehr grossen und luxuriösen Wohnungen leben, umgeben von ihresgleichen. Dafür arbeiten sie in entsprechenden Branchen und organisieren sich in Parteien und Initiativen.
Der Wrangelkiez wurde noch vor einigen Jahren als Banlieue von Berlin bezeichnet, in dem Bullen sich kaum bewegen können.
1995 startete die Polizeiführung eine Pressekampagne gegen „kriminelle Türken im Wrangelkiez“ , die im Jahr 1999 die Bullen schon fast vertrieben hätten. Um diese „ethnische Konflikte“ zu lösen, wurden Millionen an Fördergeldern in den Tourismus in Kreuzberg investiert und die Immobilienspekulation durch Steuervergünstigungen angeheizt.

Die Angehörigen diese Schicht haben keine Probleme mit Menschen anderer Kulturen oder Herkunft, solange es sich um Geschäftspartner, Mitarbeiter oder Personal von Restaurants und Bars handelt. Als kulturelle Bereicherung des langweiligen Alltags willkommen, stören sie aber wenn sie zu Problemgruppen gehören. Bei stetigem Zuzug von Besserverdienenden nach Kreuzberg müssen natürlich andere Menschen Platz machen, das wird auch von den Quartiersmanagern erkannt. Die sich damit ergebenden Konflikte und Spannungen müssen aus Sicht der Herrschenden identitär aufgeladen werden, denn eine Vertreibung von Armen oder „Ausländern“ kommt in der Öffentlichkeit nicht gut an. Also werden Identitäten konstruiert, die leicht erkennbar sind und für deren Zugehörigkeit kein eigenes Handeln nötig ist.
Es werden Personengruppen bekämpft, die durch Aussehen leicht identifiziert werden können und die Tätigkeiten nachgehen, die „Normale Menschen“ nicht machen, also osteuropäische Scheibenputzer, Sinti und Roma, Flüchtlinge die im öffentlichen Raum wohnen oder was besetzen, Dealer.
Gegen bestimmte Gruppen richtet sich Agression, weil diese weder die Zugangskriterien (Bildung, sozialer Status) zu einem bestimmten Raum erworben haben noch versuchen sich in der vorherrschenden Gesellschaftshierarchie einzuordnen. Sie kommen ohne zu fragen und bilden tatsächlich informelle Strukturen.

Ein plumpes Mittelschicht-Bashing kann auch kein Weg in der derzeitigen Situation sein, denn die Reaktionen auf die polizeiliche Belagerung Kreuzbergs waren durchaus überraschend. In Geschäften und aus teuren Wohnungen, von denen mensch es nicht erwartet hätte, hingen Plakate und Transpis gegen die Bullen und für die Forderungen der Refugees, während viele ehemalige Hausprojekte sich gar nicht verhielten.
Der enormen Vielfalt des Sicherheitsnetzwerkes in Kreuzberg sind zwar viele Menschen erlegen, sie nehmen die oben bezeichneten Akteure gar nicht als repressiv war, weil sie scheinbar nur die unvermeidbaren Regeln des Zusammenlebens managen und sich viele darin wiederfinden können, mit der ständigen Stationierung von Bullen auf dem Oranienplatz seit April und der Eskalation um die Ohlauer ist dann aber der einschränkende Charakter vermeintlicher Sicherheit ins Bewusstsein gerückt.
An dieser Stelle bietet sich ein Blick auf Ingrid Hermannsdörfer an. Sie ist als Architektin für „Städtebauliche Kriminalprävention“ beim LKA beschäftigt. Laut Bullen hat die Schnittstelle von städtebaulichen Aspekten und Kriminalprävention Pioniercharakter. In der als eine Art Straßenfeger getarnten Zeitung „ecke köpenicker“ vom Bezirksamt Mitte, betreibt Hermannsdörfer in der Nr. 2 vom März 2014 eine Angsthysterie über die Situation in öffentlichen Parks. Dort solle
„sich kein Täter anschleichen oder verstecken können. Man soll aus noch sicherer Entfernung erkennen können, wer auf einen zukommt. Wenn Grünanlagen zuwuchern ergeben sich Möglichkeiten, Drogen zu verstecken oder jemanden aufzulauern.“
Es soll eine soziale Kontrolle entstehen in der Aktivbürger die Rolle von Ordnungsamt oder Bullen übernehmen, also genau das Szenario, welches wir aktuell im Görli vorfinden.