der folgende Text ist von linksunten übernommen:
Was gestern in Moabit, Kreuzberg und Friedrichshain los war, spottet jeder Beschreibung. Es sollte ein kämpferischer Tag gegen die Repression sein, gegen die gesellschaftlichen Machtverhältnisse und gegen politische Justiz. Es wurde ein grauer Frühlingstag, der mit einer Menge Festnahmen und einem verwirrten Publikum endete.
Dabei sollte die Veranstaltung nach den Vorstellungen der Veranstalter wohl ein zweites Hamburg werden. Im Klein-Klein wurde – fast auschließlich über das Internet – die Eskalationsstrategie der Unruhestiftung beschrieben. Kein schlechter Gedanke, der bürgerlichen Gesellschaft das bisschen Unkontrollierbarkeit vorzuführen, dass sie uns noch lässt, ist ja ehrenwert. Doch schon vorher war klar, dass die aufgeführten Regeln zur Demovorbereitung und die beschworene Eskalation keinen mobilisierenden Effekt hat – im Gegenteil: viele Berliner_innen fühlten sich durch die ausschließlich militante Szenarienfindung ausgeschlossen. Weil sie sich keine Festnahme leisten können, aus den unterschiedlichen Gründen. Weil sie auf andere Arten der Repression als nur Bullengewalt aufmerksam machen wollten. Oder weil sie sich den Szenecodes und dem Duktus der Mobilisierung nicht unterordnen wollten.
Hinzu kam, dass die Verknüpfung zur Betroffenheit aller sozialen Kämpfe durch Repression eine Fußnote im Aufruf blieb. Schon in der theoretischen Ausführung nahm sie den Platz des schmückenden Beiwerks zur Eskalationsphantasie ein, in der Praxis gab es keinen Versuch oder die strikte Ablehnung der bündnisartigen Zusammenarbeit. Die Unterschiede zu HH2112 werden durch den Text „Von der Turmstraße bis zum Moritzplatz“ präzise herausgearbeitet. Hier wurde nichtmal eine Szenedemo organisiert, hier wurde eine reine Spartendemo eines großmäuligen 80er-Jahre-Westberlins feiernden Umfeldes auf die Beine gestellt. Entsprechend nahm dann auch die Medienlandschaft die Veranstaltung war: als ein Kampf gegen den Endboss in Stage 10 der Berlin Smash Brothers Inc. – aber nicht als legitimes Anliegen, gesellschaftliche Repression zu thematisieren und theoretisch wie praktisch anzugehen.
Umso erschreckender ist dann, wie grottenschlecht die Demonstrationsvorbereitung ob der angekündigten detailgenauen Anweisungen, wie Mensch sich zu verhalten habe, war. Abgesehen davon, dass es um 16 Uhr keine Kundgebung gab, und um 17 Uhr nicht pünktlich losgegangen wurde, gab es keine organisatorische und nur schwache verbale Reaktion auf die schon im Vorfeld stattfindenden brutalen Festnahmen einer mit Koks zugedröhnten Berliner Polizei, die ihren Kollegen aus dem Norden mal zeigen wollte, dass man anders als in Hamburg nicht nur Steine fressen möchte, sondern die Endboss-Mobilisierung wörtlich nimmt und beim kleinsten Anlass austickt. Wir hätten uns hier eine nachdenkliche und vorbereitete Demonstrationsorganisation gewünscht, stattdessen haben wir einen Haufen Spinner bekommen, die die simpelsten Regeln der Demonstrationsvorbereitungen missachtet haben und sich der Zusammenarbeit selbst mit den elementarsten Berliner Organisationen verweigerten.
Wir halten es zudem für unglaublich fährlässig, einen Frontblock ohne nennenswerte Organisation loslaufen zu lassen. Während sich in Berlin inzwischen wieder der aufmerksame Trend, in Reihen zu laufen, etabliert hat (und damit noch schlimmeres immer wieder abwenden konnte), hat man anscheinend total vergessen, dass Transpis einen elementaren Schutz vor Zugriffen bieten – anders können wir es uns nicht erklären, warum gefühlte drei Transpis den Block umgaben und nach 3 Reihen Schluss damit war und den Rest der Menschen ungeschützt laufen ließ. Das hatte unserer Beobachtung zur Folge, dass die Bullen sich weit vorne tief in die Demo von rechts postieren konnten und zT zwischen den äußersten drei Menschen zwischen den Reihen liefen.
Während die Bullen ca. 20min offen darüber lamentierten, dass sie einen Zugriff vorbereiten und auf welcher Höhe sie den Aufzug stoppen wollen, hat die Weitergabe diese Information beim Lauti absolut keine Wirkung gehabt – und so halten rechnen wir es der organisierenden Gruppe zu, dass diese hohe Zahl der Festnahmen für die Bullen ohne Weiteres möglich war. Es wäre strategisch deutlich sinnvoller gewesen, die Demonstration auf der Rathenower Str. / Seydlitzsstr. aufzulösen und den entstehenden Freiraum durch die Grünflächen zu nutzen. Umso erschreckender fanden wir dann, dass wir unsere Freund_innen auch noch alleine von der GeSa abholen durften, zu diesem Thema und an diesem Tag kein Prisoners Support zu organisieren halten wir für absolute Scheiße.
Über die 22 Uhr Aktion in Kreuzberg gibt es dann nicht mehr viel zu erzählen. Enttäuscht von der schlechten Organisation der 17-Uhr-Demo und der Auswahl des Ortes in Kreuzberg und in direkter Nähe zum Oranienplatz (fanden da überhaupt mal mit den Menschen Absprachen vorher statt?) erhofften wir uns kaum noch Potential. Anstatt die Diskussionsergebnisse der letzten Monate durch die Wahl des Ortes in einem anderen Teil der Stadt – und sei es Neukölln (die Unkontrolliertheit hat man dort zuletzt am 26.02.2014 gesehen) – zu würdigen, entschied man sich wieder für Kreuzberg. Hunderte Leute, die aufgrund der Mobilisierung (anders als bei spontanen, anonymen Indyaufrufen) darauf vertrauten, dass hier eine organisierte, entschlossene Gruppe das vereinbarte Zeichen geben würde und ein Plan hatte mit der hohen Bullenpräsenz umzugehen, wurden so ein leichter Fang für die gut aufgestellten und hochpuschten Robocops der Berliner Polizei, weil die organisierende Gruppe anscheinend sich lieber ein kühles Bier genehmigte.
Wir hoffen, dass sich die organisierende Gruppe hier reflektiert damit auseinandersetzt, welche persönliche Schuld sie mit ihrer miserablen Aktion auf sich geladen hat – das mögen harte Worte sein, aber wir halten dieses Verhalten für nicht vertretbar, vor allem, wenn man vorher den Eindruck erweckt, man hat die strategische Weisheit mit Löffeln gefressen. Im Nachgang bemerken wir außerdem, dass sich eine große Menge unverpixelter Fotos in den sozialen Netzwerken verbreitet (aus reiner Unbedarfheit oder – schlimmer – aus technischer Unkenntnis heraus) – ein Unding, mit dem ein Umgang gefunden werden muss. In Zeiten, wo sich inzwischen Jungautonome mit ihren Accounts gegenseitig auf Facebook-Bildern markieren, während sie dort vollvermummt zu sehen sind, scheint jedoch eh schon alles verloren. Und währenddessen twittert die Polizei, dass man seine Vermummung abnehmen solle. Wir verstehen die Welt nicht mehr.
So kommt am Ende alles zusammen: schlechter theoretischer Input führt dazu, dass Menschen heute nicht mehr verstehen, dass ihr Verhalten selbst der konkreten Repression in die Hände spielt – und die miserable Organisation leistet ihr Übriges. Den Endboss freut es, und mit ihm den konservativen Teil der Öffentlichkeit.
Den festgenommenen und verletzten Genoss_innen wünschen wir alles erdenklich Gute. Unsere Solidarität heute in Wort und bald in Tat.